Fritz Koenig - Ikarus. 1963

Auktion 57, Kat.-Nr. 221

MODERNE & ZEITGENÖSSISCHE KUNST

am 11. Juni 2015

Fritz Koenig

Ikarus. 1963

Schätzpreis:
€ 10.000 bis € 15.000

Ergebnis:
€ 12.700 (inkl. 27 % Käuferaufgeld)

Beschreibung:

Koenig, Fritz

1924 Würzburg - lebt in Ganslberg bei Landshut

 

Ikarus. 1963

 

Bronze mit brauner Patina

 

31 x 32 x 8 cm

 

Seitlich am Standfuß monogrammiert "FK". Eines von fünf Exemplaren.

 

Werkverzeichnis: Clarenbach 326

 

Der in Bayern durch das ihm gewidmete Skulpturenmuseum in Landshut bekannte und vielfach mit Plastiken im öffentlichen Raum präsente Bildhauer ist zuletzt beim Anschlag auf das World Trade Center ins internationale Blickfeld gerückt: Seine 1967 begonnene und 1971 zwischen den Türmen aufgestellte monumentale Brunnenskulptur "Kugelkaryatide" hat den Anschlag fast unbeschädigt überstanden und erinnert heute in der Nähe von Ground Zero als Denkmal an das schreckliche Ereignis. Auch während seiner Zeit als Professor für Plastisches Gestalten an der Technischen Universität München, eine Stelle die er von 1964 bis 1992 innehatte, begründete Koenig mit der Teilnahme an der Biennale und der documenta seinen Ruf als international anerkannter Künstler und Vertreter der deutschen Nachkriegsmoderne. In seinem Werk experimentiert Fritz Koenig mit konstruktiven Formen, was in eine Serie von Karyatiden mündete, welche das Kugel- oder Säulenmotiv variierten. Mit stereometrischen Formen - Balken, Würfel, Stütze und der Kugel in unterschiedlichen Varianten - untersuchte er das spannungsvolle Wechselspiel von Stützen und Lasten sowie die subtile Balance zwischen Stabilität und Labilität. Überhaupt ist Fritz Koenigs gesamtes künstlerisches Schaffen von einer aus einem persönlichen Grundempfinden entstandenen Ambivalenz zwischen Realität und Möglichkeit und deren Balance geprägt. Er ist aber nicht nur durch seine monumentalen Skulpturen, wie die angesprochene "Kugelkaryatide", bekannt geworden, er schuf in seiner Zusammenarbeit mit zahlreichen Architekten auch Kunstwerke, die in direkter Verbindung zu Bauwerken stehen. Während derartige Großprojekte in erster Linie als Auftragsarbeiten entstehen, arbeitet der Künstler auch gerne in kleineren Formaten, bis hin zur Miniatur. Da sich seine Kunstwerke ohnehin durch ihre geschlossenen Formen und klaren Linien auszeichnen, verlieren sie auch im kleinen Format nichts von ihrer Ausdrucksstärke. Die Figur des Jünglings Ikarus ist hier auf einen kleinen, runden Kopf und zwei dünne Beine reduziert, aber immer noch eindeutig als Mensch auszumachen. Der Oberkörper geht vollends in den beiden riesigen Flügeln rechts und links der Figur auf und nur mit tiefen Querfurchen sind seine Arme und die Verbindung des Körpers zu den Flügeln angedeutet. Die rechteckigen Flügel überragen die Figur fast um das doppelte und die unruhige Struktur verleiht ihnen, zusammen mit der schieren Größe, fast etwas Bedrohliches. Anhand dieser Skulptur lässt sich wunderbar die bereits angesprochene Ambivalenz zwischen Stabilität und Labilität, zwischen Realität und Möglichkeit veranschaulichen. Allein in ihrem Thema scheinen diese Gegensätze bereits aufgegriffen zu sein: Ikarus aus der griechischen Mythologie, der mit seinen durch Wachs zusammengehaltenen Flügeln während der Flucht aus der Gefangenschaft durch König Minos der Sonne zu nahe kommt und in seinen Tod stürzt. Auch in der Skulptur scheinen die Flügel der Figur zunächst eine gewisse Stabilität und Sicherheit auf dem schmalen Sockel zu geben, gleichzeitig scheint der Mensch aber fast einer Art Gefangener der Möglichkeiten zu sein, die ihm die Flügel bieten, die wegen ihrer Übergröße gar nicht anders können, als ihn zu nah an die Sonne zu bringen.



Werkverzeichnis:
Clarenbach 326