SAMMELN AUS PASSION
NEUMEISTER VERSTEIGERT KUNSTWERKE AUS DER BERÜHMTEN SAMMLUNG GEORG SCHUSTER
Von Dr. Stephan Klingen und Dr. Helga Puhlmann
In der September-Auktion werden bei NEUMEISTER einige Kunstwerke angeboten, die aus der berühmten Sammlung Georg Schuster stammen. Im Zuge der Katalogisierung dieser Objekte tauchte aus dem Besitz der Einlieferer ein Fotoalbum auf, dessen Inhalt selber eine kleine kunsthistorische Sensation darstellt. Das Album enthält die wohl einzigen Bilddokumente zur Versteigerung der Sammlung Schuster, die am 17. und 18. März 1938 in der renommierten Kunsthandlung Julius Böhler in der Brienner Straße in München stattfand. Die Fotos zeigen die repräsentativen Verkaufsräume des Palais mit den zur Vorbesichtigung ausgestellten Objekten.
Die Versteigerung der Kollektion Schuster mit süddeutschen Kunstwerken des Spätmittelalters bis zum Barock wurde von der „Weltkunst“ als „das große Ereignis des Jahres“ 1938 angesehen. Der erzielte Verkaufserlös „übertraf die höchsten Erwartungen“.








Wer war Georg Schuster?
Geboren am 15. Juni 1869 als Sohn eines Schmiedemeisters in der Nähe von Amberg in der Oberpfalz, absolvierte Georg Schuster nach der Volksschule eine Holzbildhauerlehre in München und fand im Anschluss eine Anstellung in der Vergolder-Werkstatt von Josef Radspieler. Wegen seiner herausragenden handwerklichen Fähigkeiten übertrug man ihm dort bald die Leitung der so genannten „Gehilfen“. Privat hatte Schuster ein großes Interesse an mittelalterlicher Plastik und betrieb in seiner Freizeit ein intensives Selbststudium der Kunstgeschichte, insbesondere der alten Meister. Um 1900 machte er sich mit einer Werkstatt als Restaurator selbstständig und entwickelte sich zu einem herausragenden Kenner, bei dem Kunstsammler und Museumsdirektoren ein und aus gingen. Als einer der ersten Restauratoren bemühte er sich, Überreste alter Fassungen an mittelalterlichen Figuren frei zu legen und zu sichern. Angebote Wilhelm von Bodes, als Professor und Restaurator nach Berlin umzuziehen, lehnte er ab.
Den Grundstock seiner eigenen Sammlung legte er im Alter von 26 Jahren. Er entwickelte sich zu einem Sammler aus Leidenschaft und war ständig auf der Suche nach spätgotischen, altdeutschen, vor allem altbayerischen Kunstwerken. Obwohl er nur überschaubare Mittel zur Verfügung hatte, trug er mit ausgeprägtem Sinn für Qualität und hoher Sachkenntnis eine Kollektion von herausragendem künstlerischen Rang zusammen. Die Sammlung hielt er weitgehend unter Verschluss und war nur mit wenigen Experten im Austausch. Weder in der Fachliteratur noch in Ausstellungen machte er die Stücke öffentlich, bis er sich 1936 entschied, mit Unterstützung des Kunsthistorikers und Kunstkritikers Hubert Wilm einen Katalog über die Bildwerke in seiner Sammlung zu publizieren, der zusammen mit einer biografischen Skizze zum Sammler 1937 erschien. Die Veröffentlichung dieses Büchleins erlebte Georg Schuster selber nicht mehr. Der Restaurator und Sammler verstarb völlig unerwartet am 16. Januar 1937 an den Folgen einer Operation in München.

THRONENDE MADONNA SÜDDEUTSCH, 13. JH.
Linde, rückseitig geflacht, auf Rückbrett montiert.
H. (mit Sockel) 64,5 cm
AUKTION 410 // LOT 196
SCHÄTZPREIS € 20.000 – 25.000
Provenienz: Sammlung Georg Schuster, München – 17./18.6.1936 Auktion Paul Graupe Berlin „Aus dem Besitz der Firma A. S. Drey (Räumungsverkauf)“, lot 113 (mit Provenienzangabe „aus Sammlung Gg. Schuster, München“, dort unverkauft) – 1937 Sammlung Georg Schuster, München – 17./18.3.1938 Auktion Julius Böhler „Sammlung Georg Schuster“, lot 2 – Objektkarteikarte Nr. 5775 aus der Münchner Kunsthandlung Julius Böhler, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München (http://boehler.zikg.eu/wisski/ navigate/265902/view) – 1938 Dr. Paul Schwäbel, Heidelberg – 29.8.1958 Verkauf durch Julius Böhler, München - aus dem Nachlass eines Münchener Sammlerehepaares – 2023 Restitution an die Erben nach A.S. Drey.
Wir danken Dr. Imke Gielen, Kanzlei von Trott zu Solms Lammek/Berlin, für freundliche Unterstützung im Rahmen der Restitutionsverhandlungen. Ebenso danken wir Dr. Stephan Klingen, Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, für Unterstützung im Rahmen der Provenienzrecherche.
Erst nach dem Tod Georg Schusters wurde der gesamte Umfang der Sammlung sichtbar, die neben den von Wilm beschriebenen Bildwerken auch Gemälde und verschiedenste kunstgewerbliche Objekte bis hin zu Textilien umfasste. Den großen Reichtum an Materialien und Techniken der Sammlung Schuster belegen die nun aufgetauchten unikaten Fotos von der Ausstellung im Palais Böhler sehr eindrücklich. Die Erben Georg Schusters hatten mit der Versteigerung des Nachlasses die Kunsthandlung Julius Böhler betraut, die sich seit 1936 auch im Auktionsmarkt etabliert hatte, der zu dieser Zeit – nicht zuletzt durch die antisemitischen Repressionen der Nazis gegen jüdische Kunsthändler und Sammler – einen enormen Strukturwandel erfuhr.
Die Auktion im März 1938 war tatsächlich ein spektakulärer Erfolg. Sie umfasste ein Top-Angebot von über 600 weitgehend „marktfrischen“ Objekten in gutem Erhaltungszustand mit teilweise originalen Fassungen, viele Stücke unberührt. Zur Versteigerung kamen Meister - werke deutscher Plastik des 12. bis 19. Jahrhunderts, darunter Arbeiten von Hans Leinberger, Hans Multscher, Tilman Riemenschneider Egid Quirin Asam, Ignaz Günther und Johann Wenzeslaus Jorhan, außerdem Elfenbeinarbeiten, Stein- und Tonplastik, deutsche und französische figürliche Bronzen, sowie Gemälde des 15. bis 19. Jahrhunderts und Kunsthandwerk aus Keramik, Glas, Schmuck und anderes mehr.
Die Weltkunst schrieb am 20. März dazu: „…der Saal konnte die Teilnehmer nicht alle fassen. Die Museumsdirektoren dürften so ziemlich alle anwesend gewesen sein. Wir sahen die Direktoren Buchheit-München, Demmler-Berlin, Kohlhausen-Nürnberg, Feulner-Köln, Schnitzler-Köln, Boll-Regensburg, Noack-Freiburg, Hupp-Düsseldorf, Graf Solms-Frankfurt u. v. a.“. Das große institutionelle Interesse wurde ergänzt durch das Engagement zahlreicher prominenter Sammler und Kunsthändler, wie ein im Zentralinstitut für Kunstgeschichte aufbewahrtes Exemplar des Auktionskataloges belegt, in dem neben den erzielten Preisen auch die Namen der Käufer enthalten sind. Wie Edda Bruckner in ihrer bisher noch nicht publizierten Masterarbeit (LudwigMaximilians-Universität München) zu den Böhler-Auktionen ermittelt hat, wurde bei der Versteigerung der Sammlung Schuster mit einer Zuschlagssumme von annähernd 600.000 RM das höchste Ergebnis der vier von Julius Böhler abgehaltenen Auktionen erzielt. Trotzdem endet mit diesem Erfolg die Auktionstätigkeit der Kunsthandlung Julius Böhler. Die Sammlung Georg Schuster ist heute verstreut in Museen und Privatsammlungen weltweit.
Einzelne Stücke der spektakulären Kollektion tauchen aber auch immer wieder im Handel auf – wie jetzt.
AUS DER SAMMMLUNG GEORG SCHUSTER
Ein Paar Apostelbüsten
Schwäbisch, um 1700
Auktion 410, Kat.-Nr. 206
Schätzpreis € 5.000 bis € 7.000
noch erhältlich
Puttenkopf
Joseph Götsch (1728 Längenfeld i. Ötztal - 1793 Bad Aibling b. Rosenheim), um 1760
Auktion 410, Kat.-Nr. 210
Schätzpreis € 2.500 bis € 3.000
noch erhältlich
Aufsatzschreibkommode
Süddeutsch (München?), um 1760
Auktion 410, Kat.-Nr. 225
Schätzpreis € 6.000 bis € 8.000
noch erhältlich
Ein Paar Appliken, zweiflammig
Süddeutsch, um 1760
Auktion 410, Kat.-Nr. 260
Schätzpreis € 2.000 bis € 3.000
noch erhältlich
Louis-XVI-Portaluhr
Frankreich, Ende 18. Jh.
Auktion 410, Kat.-Nr. 272
Schätzpreis € 800 bis € 1.200
noch erhältlich
Flämisch 17. Jh.
Südliche Landschaft mit Brunnenbauern
Auktion 410, Kat.-Nr. 592
Schätzpreis € 2.000 bis € 3.000
noch erhältlich
Gabriel von Max, Art des
1840 Prag - 1915 München
Junge Mutter mit Kind
Auktion 410, Kat.-Nr. 689
Schätzpreis € 4.500 bis € 5.000
noch erhältlich