KLEIN UND FEIN
Von NEUMEISTER-Expertin Dr. Bettina Schwick




Nichts für den schnellen Kunstkonsum, eher für den kontemplativen Genuss – eine Kollektion von Kleinplastiken vor allem des 18. Jahrhunderts unterschiedlicher Provenienz lädt dazu ein, sich mit dem kleinen Format zu befassen.
Kleinplastiken wurden angefertigt zum einen als eigenständige Werke – wie etwa Hausaltärchen oder Kreuzigungsgruppen für die private Andacht. Als Reduktion bildeten sie in verkleinertem Maßstab Großplastiken nach und konnten etwa als Kopiervorlage dienen. Als Bozzetto (abgeleitet von bozza, „Entwurf“ oder „Skizze“) schließlich bezeichnet man einen ersten Entwurf als Vorstufe für eine Ausführung in größerem Maßstab, der Aufschluss über die Genese einer Skulptur geben kann. Die häufig skizzenhafte und dadurch sehr lebendige, bisweilen fast „modern“ anmutende Gestaltung in unterschiedlichen Werkstoffen wie Ton, Wachs oder Holz hat für den heutigen Betrachter einen ganz eigenen ästhetischen Reiz und trug sicher dazu bei, dass sich das Sammeln von Bozzetti als eigenes Gebiet Anfang des 20. Jahrhunderts etablierte. 1
Um ein Bozzetto (oder Modell zur Vorlage beim Auftraggeber) handelt es sich bei der kleinen hölzernen Josephsfigur, die als rarer plastischer Entwurf des niederbayerischen Bildhauers Christian Jorhan d. Ä. (1727 Griesbach – 1804 Landshut) gilt. In Kontrast zu den detailliert ausgeführten Köpfen Josephs und Christi steht hier die summarische Anlage der Gewandung.
Bis in kleinste Einzelformen gestaltet sind hingegen zwei Kreuzigungsgruppen: eine Arbeit des Österreichers Johann Franz Schwanthaler um 1740/50 (siehe Seite 138/139) sowie eine Kreuzigung des Prager Bildhauers Ignaz Franz Platzer aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die sich einstmals in der Sammlung Georg Schuster, München, befand.
Wie diese sollte auch eine marmorne, wohl österreichische sog. Engelspietà der Zeit um 1700 den Betrachter zu Andacht und Anteilnahme an der Passion Christi anregen: Nicht die Gottesmutter, sondern ein trauernder Engel präsentiert hier den über einer Draperie liegenden Leichnam Christi. Bemerkenswert ist hier die detaillierte anatomische Wiedergabe des ausgezehrten Körpers.
Hier wie auch bei den weiteren Kleinplastiken der Auktion lohnt sich ein genauer Blick, um den Reichtum an Details und deren bildhauerische Qualität zu entdecken – das Große im Kleinen.
1 Siehe hierzu Kammel, Frank Matthias, Kleine Ekstasen. Barocke Meisterwerke aus der Sammlung Dessauer. Ausst. Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Nürnberg 2001, S. 11ff.

MARIA MIT JESUSKNABEN
Nicolas van der Veken
(1637 Mecheln – 1709 ebenda), Werkstatt, um 1680
Buchsbaum.
H. (mit Sockel) 29 cm
AUKTION 411 // LOT 121
SCHÄTZPREIS € 1.800 – 2.200

IMMACULATA
Süddeutsch, um 1730/40
Linde. In verglastem Schrein des späten 18. Jhs.
H. Immaculata 31 cm,
H. Schrein 70 cm.
Dabei: Hl. Geist-Taube.
AUKTION 411 // LOT 134
SCHÄTZPREIS € 1.600 – 1.800

HL. JOSEPH
Christian Jorhan d. Ä.
(1727 Griesbach – 1804 Landshut), vor 1770
Linde
H. 21,5 cm
AUKTION 411 // LOT 139
SCHÄTZPREIS € 2.500 – 3.000
Bei vorliegender Kleinplastik handelt es sich um Jorhans bislang einzig bekanntgewordenen plastischen Entwurf. Ihre sorgfältige plastische Ausarbeitung legt eine Funktion als Modello für eine Großplastik nahe, wahrscheinlich für die Josephsstatue am südlichen Seitenaltar der Pfarrkirche in Mirskofen von 1770.

ENGELSPIETÀ
Wohl Österreich, um 1700
Weiß-grauer Marmor
16 × 29 cm
AUKTION 411 // LOT 130
SCHÄTZPREIS € 1.800 – 2.200

KREUZIGUNGSGRUPPE
Ignaz Franz Platzer
(1717 Pilsen – 1787 Prag), 2. Hälfte 18. Jh.
Linde, H. (mit Sockel) 53,5 cm