ICH LERNE JEDEN TAG DAZU


Ein Gespräch mit Barbara Huber, NEUMEISTER-Expertin für Gemälde und Graphik bis angehendes 20. Jahrhundert.

Was ist Ihr Tipp für die kommende Auktion?

Mein persönlicher Tipp ist die Ölstudie von Fritz von Uhde.

 

Was gefällt Ihnen an diesem Gemälde?

Es hat etwas Mysteriöses. Da ist dieser Raum, der nicht näher definiert ist. Wir sehen vier Mädchen bei der Handarbeit. Zwei Mädchen sitzen sich gegen - über, ein weiteres, im rosa Rock, scheint in Gedanken versunken. Das vierte Mädchen ist nur verschwommen zu erkennen – offensichtlich vom Künstler ausgewischt. Aber genau dieser vermeintliche Makel macht die Arbeit so interessant, denn das wirft Fragen auf: War der Künstler einfach nur unzufrieden mit der Darstellung oder steckt mehr dahinter? Da fängt man dann an zu recherchieren und in die Zeit einzutauchen, in der Fritz von Uhde gelebt hat. Und genau solche detektivischen Spurensuchen machen mir Freude

 

Welches Kunstwerk ist für Sie das schönste der Welt?

Hier möchte ich mich ungern festlegen, da ich eigentlich in jeder Epoche viele Favoriten habe. Mich begeistert das „Eismeer“ von Caspar David Friedrich ebenso wie eine „Magdalena“ von Caravaggio.

 

Was begeistert Sie an alten Gemälden und welche kunsthistorische Epoche hat es Ihnen besonders angetan?

Mich fasziniert ganz grundsätzlich die unglaubliche Vielfalt der Epochen und Themen, die dargestellt werden. Jedes Kunstwerk für sich ist ein Zeugnis seiner Zeit. Besonders angetan hat es mir das frühe 19. Jahrhundert, nicht nur in der Bildenden Kunst, auch in der Literatur und der Mode.

Welche Sujets gefallen Ihnen?

Mir gefällt alles Erzählerische, das kann ein Thema aus der Mythologie oder der Bibel sein, genauso wie eine Genre-Darstellung aus dem Alpenländischen. Einfach alles, wo ich sehe: Der Künstler möchte uns etwas erzählen und uns Betrachter auch zu eigenen Interpretationen anregen.

 

Wie aktuell ist Alte Kunst heute?

Hochaktuell! Was ist Bildende Kunst denn anderes als Storytelling? Genau das ist es doch, was wir Tag für Tag in den Sozialen Medien sehen. Nur beweisen die Objekte der Alten Kunst deutlich mehr Langlebigkeit. Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit ist bei Alter Kunst aktuell. Was kann nachhaltiger sein als ein Stück, das über Jahrhunderte erhalten, restauriert und genutzt wird?

 

Warum sollte man in Gemälde investieren und nicht in Aktien?

Gemälde haben den Vorteil, dass man sie sich an die Wand hängen und jeden Tag daran erfreuen kann.

 

Wer kauft Alte Kunst?

Das sind ganz unterschiedliche Käufer, private Sammler genauso wie Museen. Wie wird Alte Kunst gehandelt? Neben Auktionen ganz klassisch beim Kunsthändler und auf Kunstmessen. Viele Sammler haben auch Berater, die für sie den gesamten Kunstmarkt nach Objekten sondieren, die in ihre Sammlung passen.

 

Sie lieben Ihren Beruf?

Auf jeden Fall! Ich liebe diese Abwechslung und Vielseitigkeit! Und ich liebe es, so nah an den Kunstwerken dran zu sein.

Wie sind Sie zu NEUMEISTER gekommen?

Ich habe von 1998 bis 2004 Kunstgeschichte an der LMU München studiert, mit den Nebenfächern Neuere Geschichte und Italianistik. Auslandssemester führten mich nach Siena und Venedig. Während des Studiums habe ich ein Praktikum in einem Münchener Auktionshaus gemacht und war dort danach bei den Auktionen immer am Telefon mit dabei. Von da an habe ich meinen beruflichen Weg im Auktionshaus gesehen. 2004 habe ich als Volontärin bei NEUMEISTER angefangen und dort anschließend einige Stationen durchlaufen. So habe ich die ehemaligen Varia-Auktionen katalogisiert und verantwortet. Seit 2014 bearbeite ich nun zusammen mit meinem Kollegen Dr. Rainer Schuster den Be - reich der Graphik und Gemälde bis zum angehenden 20. Jahrhundert – und lerne immer noch jeden einzelnen Tag dazu. 

 

Wie sieht Ihr Arbeitstag bei NEUMEISTER aus?

Immer anders. Mal steht ein Besichtigungstermin bei Kunden vor Ort an, mal ein Kundentermin hier im Haus, bei denen Objekte für unsere Auktionen geprüft und erfasst werden. Dann die Prüfung von Fotoanfragen; ob und zu welchen Schätzpreisen Gemälde und Graphiken für eine unserer Auktionen aufgenommen werden können. Wenn wir eine Auktion vorbereiten, wird mein Tag von der Prüfung und Beschreibung der eingelieferten Arbeiten dominiert. Ist die Katalogisierung abgeschlossen, wird die Ausstellung vorbereitet und und es geht an die Vermarktung der Objekte, indem man Sammler und potenzielle Käufer informiert.

 

Stehen Sie auch selbst am Auktionspult?

Ja, ich versteigere inzwischen seit 2008 bei NEUMEISTER. Ich freue mich immer, wenn ich am Auktionspult stehen kann, denn es ist der krönende Abschluss der Einlieferungen.

 

 


 

FRITZ VON UHDE
1848 Wolkenburg (Sachsen)  – 1911 München

HANDARBEITENDE MÄDCHEN IN EINER STUBE

Ölstudie auf Leinwand
40 × 33 cm

AUKTION 408 // LOT 1144
ERGEBNIS 
€ 5.850 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

 

 

Hat sich bei den Auktionen im Laufe der Zeit etwas geändert?

Waren die Auktionen vor der Pandemie noch geprägt vom Saalpublikum, so sind es heute immer mehr internationale Online-Bieter, die das Ergebnis bestimmen. Und es ist immer wieder überraschend, wenn man am Auktionspult angezeigt bekommt, aus welcher Nation ein Bieter kommt.

 

Die größten Überraschungen bei einer Auktion?

Die gibt es dann, wenn die Bieter sich ein regelrechtes Gefecht liefern und das Ergebnis ein Vielfaches der Schätzung erreicht. In besonderer Erinnerung habe ich beispielsweise ein Gemälde „Arabische Stuten mit ihren Fohlen“ des Münchner Pferde- und Schlachtenmalers Albrecht Adam, das ursprünglich mal in der Sammlung des Königs Wilhelm I. von Württemberg war. Also, renommierter Künstler und tolle Provenienz und wir dachten alle, dass ein solches Gemälde unbedingt die süddeutschen Sammler ansprechen muss. Am Ende aber ging das Gemälde nach einem spannenden Bietergefecht an einen Araber-Züchter in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das sind Überraschungen, wie man sie nur auf einer Auktion erleben kann

 

Haben Sie selbst schon mal etwas ersteigert?

Natürlich! Zum Beispiel findet mein Schmuck, darunter auch einige Stücke von NEUMEISTER, seinen Platz in einer wunderschönen Miniaturkommode des 18. Jahrhunderts.

 

Was muss ich tun, wenn ich ein Gemälde bei NEUMEISTER versteigern möchte?

Der erste Schritt ist, uns Aufnahmen des Gemäldes zu schicken sowie alle weiteren Informationen zu nennen, also Maße, eventuell vorliegende Gutachten, alte Kaufbelege etc. Auf dieser Basis können wir dann zumeist schon eine erste preisliche Einordnung vornehmen und Sie dann weiter beraten, ob und wie man das Gemälde in unserer Auktion anbieten kann. Ist Kunst auch in Ihrer Freizeit ein Thema? Auf jeden Fall! Ich sehe den Begriff „Kunst“ im Privaten dann aber etwas weiter gefächert, über den Bereich der Bildenden Kunst hinaus. Da gehört neben dem klassischen Museumsbesuch für mich der gesamte Kulturbereich dazu, von Theater, Oper, Kino, genauso wie ein bewusstes Durch-die-Stadt-Gehen und die Architektur wahrzunehmen.

 

Gibt es ein Lieblingsmuseum?

In München gehe ich wahnsinnig gerne ins Bayerische Nationalmuseum. Die unglaubliche Vielfalt und Qualität der Sammlungen in diesem tollen Museumsbau mit seinen Sälen im jeweiligen Baustil der Exponate ist einfach unglaublich und immer wieder einen Besuch und neue Entdeckungen wert.

TOLLES AUS TIROL


In der März-Auktion kommt der Nachlass eines Sammlers aus Tirol zum Aufruf. Das Konvolut umfasst 39 Positionen, vor allem Gemälde und Graphik (Kat.-Nr. 1000–1038).