ETWAS UNHEIMLICHES


von NEUMEISTER-Expertin Gudrun Müller M. A

 

Conrad Felixmüllers 1934 entstandenes Werk „Tauschnee“ steht ganz im Zeichen der Neuen Sachlichkeit. Es zeigt einen winterlichen Blick über die Dächer der Dresdner Neustadt aus dem Atelier des Malers und berührt den Betrachter insbesondere durch seine Tiefenwirkung. Die für Felixmüller typischen orangeroten und gelben Farbtöne stehen im Spannungsfeld mit den dunkleren Braun- und Grautönen. Die reduzierten Bäume, die teilweise wie Gräten wirken, verleihen dem Bild etwas Unheimliches. Blaugraue Schattierungen des Schnees machen dessen Schwere und Feuchtigkeit beinahe erlebbar. Die rötlichen Schattierungen des Himmels vermitteln schließlich eine Botschaft von Aufbruch und Hoffnung. Minutenlang kann man als Betrachter in diesem Bild ruhen, am Ende bleibt ein positives Gefühl der Zuversicht. „Viele Jahre hat mich dieses Bild begleitet, es ist definitiv eines meiner Lieblingsbilder“, so Titus Felixmüller – der Sohn des Malers war lange im Besitz von „Tauschnee“


TAUSCHNEE


 

 

 

 

CONRAD FELIXMÜLLER
TAUSCHNEE (BLICK VON DER VERANDA), BACHSTR. 13, DRESDEN. 1934

Öl auf Leinwand
58,3 × 67,2 cm

AUKTION 407 // LOT 607
SCHÄTZPREIS € 40.000 – 60.000 

 

 

Überaus zuversichtlich kann Conrad Felixmüller 1934 allerdings nicht gerade sein. Für den Künstler sind es Zeiten des beruflichen und privaten Umbruchs. Ein halbes Jahr vor Entstehung von „Tauschnee“ werden seine Werke 1933 erst in der nationalsozialistischen Ausstellung „Entartete Kunst“ in Dresden diffamiert, 1937 dann in der gleichnamigen Schau in München. Die Nationalsozialisten entfernen Felixmüllers Bilder aus allen öffentlichen Sammlungen und vernichten über 150 seiner Werke. 

Einen Lichtblick gibt es aber: Mit Hanns-Conon von der Gabelentz – Kunsthistoriker, Museumsdirektor, Schriftsteller – findet Felixmüller in der NS-Zeit einen wichtigen Unterstützer: Die beiden, die sich 1931 kennengelernt hatten, verbindet eine lebenslange Freundschaft.

Gabelentz protegiert Felixmülller während des Nationalsozialismus und in den Nachkriegsjahren durch Ankäufe oder Aufträge und vermittelt zahlreiche Kontakte. Für jeden von Gabelentz vermittelten Malauftrag schenkt Felixmüller ihm ein Werk, vor allem aus frühen Jahren. 1934 erstellt Felixmüller ein Holzschnittporträt von Gabelentz. Dieser wiederum veranstaltet 1945 die erste Nachkriegsausstellung mit Werken von Felixmüller aus seiner eigenen Sammlung. 1969 erwirbt das Lindenau-Museum von Gabelentz 92 graphische Blätter und Zeichnungen von Felixmüller.

Conrad Felixmüllers von Expressionismus und Neuer Sachlichkeit geprägtes Gesamtwerk umfasst etwa 2.500 Arbeiten: Malerei, Zeichnung und Graphik. Mensch und Familie bilden dabei die Hauptmotive. Kaum ein Künstler des 20. Jahrhunderts hat seine Familie so häufig dargestellt wie er. Selbstbildnisse zeigen ihn oft mit Mutter, Vater, Bruder oder seiner Frau Londa, eines seiner bevorzugten Modelle. 

Auf der Rückseite ist Conrad Felixmüllers Bild
„Tauschnee“ ebenfalls bemalt
Dieses Foto aus dem Jahr 1933 zeigt Conrad Felixmüller (rechts), seine Frau Londa und Hanns-Conon von der Gabelentz. Auf dem Bild ist auch das Balkonfenster zu sehen, aus welchem er
das Bild „Tauschnee“ gemalt hat.