„Wir stehen erst am Anfang“


Ein Gespräch mit den NFT-Expert*innen Christina Scheublein und Georg Bak

CHRISTINA SCHEUBLEIN (M.A. und DLT-Talent)

 

ist Kunstberaterin und Kuratorin, spezialisiert auf digitale + generative Kunst, NFTs und zeitgenössische Fotografie.


 

 

Seit 17 Jahren arbeitet sie im Bereich der bildenden Kunst mit Spezialisierung auf moderne und zeitgenössische Kunst und ist Mitbegründerin ihrer eigenen Galerie SCHEUBLEIN + BAK in Zürich.

Sie war in Auktionshäusern und Museen rund um den Globus tätig, hat mehr als drei Jahre Berufserfahrung im Bereich Blockchain und kuratiert regelmäßig Ausstellungen zu diesem Thema. Christina Scheublein lebt mit ihrer Familie in Zürich.

GEORG BAK

ist Kunstberater und Kurator, spezialisiert auf digitale Kunst, NFTs, Vintage Computer und Fotografie.


Nach seinem Abschluss als Jurist begann er seine berufliche Laufbahn im Kunstmarkt in einer leitenden Position bei Hauser & Wirth in Zürich und London und wurde anschließend Kunstberater für die LGT Bank in der Schweiz, bevor er seine eigene Galerie SCHEUBLEIN + BAK in Zürich mitgründete.

 

In den vergangenen Jahren war er als unabhängiger Kunstberater für Blockchain-Startups und NFT Plattformen tätig und kuratierte gleichzeitig wegweisende NFT-Kunstausstellungen wie „Perfect & Priceless. Value Systems on the Blockchain“ im Jahr 2018, wo er die weltweit erste Ausstellung von Larva Labs’ Cryptopunks zeigte.

Als Experte für digitale Kunst war er im Vorstand mehrerer Museen, Kunstmessen und Institutionen wie dem HeK (Haus der elektronischen Künste) Basel, MoCDA (Museum of Contemporary Digital Art), CADAF (Contemporary Art & Digital Art Fair), AIS (Arti Identification Standard), Rare Art Festival 2 New York und dem Art Project 2020 der Vancouver Biennale tätig.

Er war auch Mitglied des Kuratoriums von Art + Fintech 2.0 im Jahr 2021. Kürzlich hat er eine Cryptopunk-Versteigerung bei Sotheby’s und Ex Machina – A History of Generative Art bei PHILLIPS kuratiert.

Wie lassen sich NFTs kunstgeschichtlich verorten?

CHRISTINA SCHEUBLEIN:
Ich bin davon überzeugt, dass die Blockchain-Technologie viele Branchen umwälzen und dem traditionellen Kunstmarkt neue Möglichkeiten eröffnen wird, indem sie ihn demokratisiert. NFTs revoltieren den Kunstmarkt hinsichtlich Zugang und Sicherheit für alle Teilnehmer. In den nächsten Jahren wird sich auf diesem Gebiet noch sehr viel verändern. Fest steht, dass die Tokenisierung von Kunstwerken nicht mehr wegzudenken ist. Kunst war immer schon der Zeit voraus, und es ist wichtig, sich diesen modernistischen Aspekt der Kunstgeschichte im digitalen Zeitalter zu vergegenwärtigen.

GEORG BAK:
NFTs haben die Kunstwelt gleichermaßen schockiert wie vor 100 Jahren das Urinal von Marcel Duchamp. Beide Ereignisse haben die Kunstgeschichte maßgeblich geprägt. Wir stehen erst am Anfang, was NFTs betrifft. 

Was ist das Besondere an Cinello? 

CHRISTINA SCHEUBLEIN:
Cinello ist ein Brückenschlag von der traditionellen zur digitalen Kunst gelungen. Altmeister erstrahlen nun in einem ganz neuen Format. Mir gefällt es besonders, dass einige große Museen hinter dem Projekt stehen und sich für die digitale Technologie geöffnet haben.

GEORG BAK:
Cinello hat eine Pionierleistung erbracht, was die Vermarktung von Alten Meistern im Zusammenhang mit neuen Technologien betrifft. In streng limitierter und autorisierter Auflage kann man ein Meisterwerk von Leonardo oder Michelangelo als rare Digitalkopie besitzen. Da Alte Meister aus restauratorischen Gründen größtenteils nicht mehr ausgeliehen werden können, ist die digitale Kopie eine Möglichkeit, solche Werke in erstaunlich hoher Qualität zu zeigen und auch besitzen zu können.

Warum sollte man Cinello-Kunstwerke kaufen?

CHRISTINA SCHEUBLEIN:
Durch die einzigartige Technologie von Cinello ist es möglich, unverkäufliche Kunstwerke, die normalerweise im Museum hängen, in einem ähnlichen Format und streng limitierter Auflage in den eigenen vier Wänden genießen zu können. 

GEORG BAK:
Ja. Dank der innovativen Technologie von Cinello kann man sich eine wirklich exklusive digitale Kopie eines der bekanntesten Kunstwerke der Geschichte zuhause aufhängen. Dies ist auch ein modernes – und mobiles – Statussymbol.

Wie rechtfertigt sich der Preis?

CHRISTINA SCHEUBLEIN:
Und man kauft ja nicht nur Kunst, sondern unterstützt zugleich das Museum, da der größte Teil des Erlöses ans Museum geht.

GEORG BAK:
Das Original wäre unbezahlbar, wie man es bei Leonardos Salavator Mundi gesehen hat. Eine vom Museum zertifizierte digitale Kopie ist insofern exklusiv, als sie nur in neun Exemplaren existiert. Wenn diese ausverkauft sind, kann man sie nur noch auf dem Sekundärmarkt erwerben. Womöglich werden sich aber wenige von einem solchen Meisterwerk trennen wollen

Lohnt sich digitale Kunst als Wertanlage? 

GEORG BAK:
Gewisse, sehr bekannte digitale Meisterwerke könnten sich durchaus als Wertanlage eignen, wenn alle Exemplare verkauft sind. Allerdings sind Prognosen immer sehr schwer zu machen. Man sollte vor allem Spaß haben am Sammelobjekt.


FLIMMERN und RAUSCHEN in allen Ecken
Wie Non-Fungible Tokens den Kunstmarkt erobern


Text: Katja Kraft

Kulturpessimisten schlagen die Hände über dem Kopf zusammen bei Meldungen über Kunst, die nur im digitalen Raum existiert. Sie erzielt Höchstpreise. Und, schlimmer noch: Um virtuelle Werke wertiger zu machen, werden die analogen Originale verbrannt. So etwa Anfang September geschehen in der Londoner Galerie von Damien Hirst. Der britische Künstler ist bekanntlich ein Meister der (Selbst-)Inszenierung und sich der Provokation bewusst, die in dieser Aktion liegt. Tausende seiner Gemälde hatte er in dem einjährigen Projekt „The Currency“ („Die Währung“) angeboten.

Wer sie analog haben wollte, konnte sie analog kaufen. Wer nicht, der bekam sie nun digital – und das Original wurde verbrannt. Das große Schlussfeuerwerk gibt es dann im Oktober während der Londoner Kunstmesse Frieze, bei der Hirst die verbleibenden Gemälde in Flammen aufgehen lässt.

Und damit ist dieses gar nicht mehr so neue Phänomen der Non-Fungible Tokens (NFT), zu Deutsch: nicht austauschbaren Tokens, in wenigen Sätzen erklärt. Ein Token ist die digitalisierte Form eines Vermögenswertes. Technisch gesehen handelt es sich dabei um Einträge in einem endlos fortgeschriebenen Digitalregister, der sogenannten Blockchain. NFTs ermöglichen es, digitale Inhalte mit einem nicht austauschbaren Besitzzertifikat zu versehen.

Das muss nicht Kunst sein. Immer mehr Bereiche erobern diesen virtuellen Vertriebsweg für sich. Kürzlich wurde gemeldet, dass die prägnanten Cover der Graphikerin Aiga Rasch (1941  – 2009) zur Bücher- und Hörspielserie „Die drei ???“ als NFTs angeboten werden. Auch die Gelddruckmaschine Profi-Fußball setzt auf Non-Fungible Tokens: Ein digitales Abbild des Wunderknaben Erling Haaland, quasi eine Art virtuelle Sammelkarte, wurde beispielsweise jüngst für sportliche 609 512,85 Euro verkauft. Für das Geld hätte man viele Panini-Hefte füllen können.

Die ersten NFTs wurden auf der Bitcoin-SideChain Counterparty im Jahr 2012 erstellt. Im Februar 2021 kam es dann zur ersten Auktion, bei der mit Kryptowährungen bezahlt werden durfte. Christie’s versteigerte das Werk „Everydays. The First 5000 Days“ des US-amerikanischen Digitalkünstlers Beeple. Die Collage aus 5000 kleinen Bildern erzielte einen Rekord für digitale Kunst: Für rund 69,36 Millionen US-Dollar wechselte sie den Besitzer. Um das zu unterstreichen: Hier hat jemand 69,36 Millionen US-Dollar für eine JPG-Datei ausgegeben, die jeder downloaden kann – lediglich ein auf der Blockchain geschriebenes Zertifikat verweist auf den Besitzer.

Der Krypto-Hype hat den Kunstmarkt erfasst. Wer in diesem Jahr auf der ART Dubai unterwegs war, wo das Geld bei den Sammlern eine geringe bis gar keine Rolle spielt, konnte einen neuen Bereich entdecken: die „ART Dubai Digital“. Hier zeigte sich, dass Krypto-Kunst, meist vertrieben von Online-Galerien, einen immer größeren Stellenwert bei Händlern und Sammlern gewinnt. Es war ein Flimmern und Rauschen in allen Ecken des Messe-Raums. Und wenn man sich so von Bildschirm zu Bildschirm vorarbeitete, wurde einem bewusst, warum die NFTs von vielen kritisch gesehen werden. Anders als Gemälde oder Skulpturen, die klimaneutral an der Wand hängen oder im Raum stehen, verbraucht die Präsentation von Digitalkunst Strom. Dafür, so schwärmte in Dubai ein Galerist, könne man das Werk aber auf Knopfdruck immer wieder gegen ein anderes austauschen, ohne einen neuen Nagel in die Wand hauen oder Möbel verrücken zu müssen.

Kulturpessimisten wird bang ums Herz. Alle anderen halten es mit Friedrich Dürrenmatt: „Das Zukünftige ist immer utopisch.“

LEONARDO und die DIGITALE Kunst

 


Was ist ein DAW?