AUSZEIT im Outback

Wilde Natur, spezielles Licht, unverkopfte Einheimische: Begeistert vom ursprünglichen Leben fern der Stadt, zieht es an der Wende des 19./20. Jahrhunderts in Europa Maler an entlegene Orte. Provinznester wie MURNAU und WORPSWEDE in Deutschland oder PONT-AVEN in der Bretagne werden zu Geburtsstätten neuer Kunstströmungen.

OTTO MODERSOHN
1865 Soest - 1943 Fischerhude

Bauerngarten in Fischerhude / Das Haus der Modersohns. 1911

Öl auf Malpappe
56,5 × 39,5 cm
AUKTION 406 // LOT
ERGEBNIS: € 19.500 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

 

 

Provenienz: Christian Modersohn, Fischerhude Galerie Rosenbach, Hannover Privatsammlung Schloß Ricklingen Privatbesitz Norddeutschland

„WORPSWEDE – DAS IST EIN WUNDERLAND“. PAULA MODERSOHN-BECKER"

Als Muster-Künstlerkolonie gilt Worpswede. Otto Modersohn gehört zu den ersten Künstlern, die sich in diesem Dorf bei Bremen niederlassen. Über seine Ankunft berichtet er: „Mittwoch, 3. Juli 1889 kam ich mit F. Mackensen voller Erwartung hier an. Ich sah fast gleich, dass meine Erwartungen nicht getäuscht waren. Ich fand ein höchst originelles Dorf, das auf mich einen durchaus fremdartigen Eindruck machte; der hügelige sandige Boden im Dorf selbst, die großen bemoosten Strohdächer und nach allen Seiten, soweit man sehen konnte, alles so weit und so groß wie am Meer.“

Otto Modersohn, der sich zugunsten einer vereinfachten impressionistischen Landschaftsmalerei bereits früh von der klassisch-idealistischen Akademiekunst seiner Zeit abgewendet hatte, siedelt nach Worpswede um und bildet mit Fritz Mackensen, Hans am Ende, Heinrich Vogeler und Fritz Overbeck eine Gruppe gleichgesinnter Künstler. Kreative Kraft schöpft der Kreis aus geistiger Versenkung in die Natur. Unter freiem Himmel entstehen Bilder, inspiriert von der einsamen Landschaft mit dem geheimnisvollen Teufelsmoor, vom hohen Himmel und dem besonderen Farbenspiel. Und das kommt an: Nach dem eher holprigen Start bei einer ersten gemeinsamen Ausstellung in der Bremer Kunsthalle 1895 feiern die Worpsweder bei der anschließenden Ausstellung im Münchner Glaspalast den Durchbruch

1901 heiratet der kurz zuvor verwitwete Otto Modersohn die damals 25-jährige Paula Becker. Sie selbst hatte Worpswede im Sommer 1897 erstmals besucht und schwärmt, von der Landschaft und dem Zauber des Ortes offenbar tief beeindruckt: „Worpswede – das ist ein Wunderland“. Auch die dortige Künstlergemeinschaft gefällt ihr und bald gehört sie dazu. Doch der selbstbewussten und hochbegabten Malerin wird es in der Provinz zu eng. Immer wieder zieht es Paula nach Paris, wo sie der Moderne auf der Spur ist und sich an Künstlern wie Cézanne und Gauguin orientiert.

Otto Modersohn ist es, der damals als einer von wenigen bemerkt, dass seine Frau kein Worpsweder „Malweib“ ist, sondern eine wirklich große Künstlerin. Er selbst – bodenständig, erdverwachsen, den Traditionen des 19. Jahrhunderts verbunden – bleibt als Maler hinter ihr zurück.

1906 verlässt Paula ihren Mann und geht nach Paris, wo richtungsweisende Werke entstehen. Diese expressionistischen Bildnisse, in denen sie ihren nackten Körper wie selbstverständlich zum Thema macht, gelten als die ersten Akt-Selbstdarstellungen der Kunstgeschichte, manch eine(r) liest in ihnen den Beginn der Selbstbefreiung moderner Frauen.

1907 kehrt Paula nach Worpswede zurück und versöhnt sich mit ihrem Mann. Nach der Geburt ihrer Tochter Mathilde stirbt die erst 31-jährige Malerin am 20. November. Ihren letzten Worte: „Wie schade“.

Und Otto Modersohn? Der siedelt nach Paulas Tod ins Nachbardorf Fischerhude um, wo er wenig später die Sängerin und Malerin Luise Breling heiratet. An ihrer Seite folgen 36 Jahre künstlerischer Tätigkeit. Fischerhude wird dabei zum zentralen Ort der – nach Westfalen und Worpswede – dritten Schaffensperiode des Künstlers.

 Einen fast privaten Einblick in Otto Modersohns Fischerhuder Zeit gewährt das im September bei NEUMEISTER zum Aufruf kommende Ölgemälde, das das Haus der Modersohns samt Bauerngarten in Fischerhude zeigt. Zu sehen ist eine expressiv gestaltete Landschaft mit Garten. Das Motiv scheint unspektakulär und skizzenhaft, die Darstellung vereinfacht – und dennoch ist das Gemälde voller Atmosphäre und intimer Stimmung. 


Wege zu Kunst


 Bremen
Paula Modersohn-Becker (1876-1907) ist die erste Malerin der Welt, der ein ganzes Murnau Museum gewidmet wurde. Seit 1927 erinnert das Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen an sie.


 

Fischerhude
Das Otto-Modersohn-Museum in Fischerhude hat sich seit seiner Eröffnung im Jahr 1974 vom Nachlassmuseum zum beliebten Ausflugsziel für Kunstinteressierte gemausert. 


Worpswede

GROSSE KUNSTSCHAU: In einem Baukunstwerk des Expressionismus werden bedeutende Werke der Worpsweder Gründergeneration aber auch nachfolgender Künstlergenerationen gezeigt.

DIE WORPSWEDER KUNSTHALLE besitzt die wohl bedeutendste Überblickssammlung zur Kunstgeschichte des Ortes. 

WERKE DES MALERS, GRAFIKERS, DESIGNERS UND ARCHITEKTEN HEINRICH VOGELER (1872 – 1942) werden in einer vielschichtigen Ausstellung im Barkenhoff, dem einstigen Wohn- und Atelierhaus des Mitbegründers der Worpsweder Künstlerkolonie, gezeigt.

DAS „HAUS IM SCHLUH“, ein Hofensemble aus reetgedeckten Niedersachsenhäusern, beherbergt ein Museum mit Werken Heinrich Vogelers und hübsche Ferienwohnungen mit originalen und neu gefertigten Heinrich-Vogeler-Möbeln.

DIE „WORPSWEDER KÄSEGLOCKE“ empfiehlt sich als Museum für Worpsweder Möbel und Kunsthandwerk .