Durch die Blume


Text: Dr. Sarah-Katharina Andres-Acevedo

Begibt man sich auf einen Streifzug durch die Frühzeit der 1710 in Dresden gegründeten Königlichen Porzellan-Manufaktur, so begegnen einem Blüten und Blumen zunächst in Form elaborierter plastischer Belege auf Gefäßen aus Böttgerporzellan. Gemalt dekorieren sie der Porzellanmaler Johann Gregorius Höroldt (1696 – 1775) und später auch seine Werkstattmitarbeiter erstmals in den 1720er Jahren als authentische Kopie nach japanischen und chinesischen Porzellanen aus der Sammlung Augusts des Starken (1670 – 1733) für die Ausstattung des Japanischen Palais in Dresden. 

MEISSEN, UM 1730
Bechervase

AUKTION 406 // LOT 11
ERGEBNIS: € 32.500 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)
Famille verte-Schale
Porzellan, China, Jingdezhen, Qing-Zeit
(1644 – 1911), Ära Kangxi (1662 – 1722),
D. 38,5 cm
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Porzellansammlung, Inv. Nr. PO 3039

Diese Meissener Porzellane sahen ihren Vorbildern nicht nur zum Verwechseln ähnlich, sie tradierten auch den Sinngehalt ihrer Bemalungen. Bereits in den 1730er Jahren bediente man sich jedoch der Dekorationen auf ostasiatischen Porzellanen nur noch als Inspirationsquelle und kreierte in Meissen neue, großflächige Malereien von ausgesprochen dekorativem Charakter: Ein glänzendes Beispiel für ein Porzellan aus dieser Zeit stellt die Augustus Rex-Bechervase mit sogenanntem „Vogelbaum-Dekor“ dar [Lot 11]. Ihre Wandung zeigt zwei bunt-gefiederte, aufgeplusterte Vögel, die sich nebeneinander auf einem geradezu blattleeren Ast niedergelassen haben. Beide werden von einer prächtigen, in Eisenrot und Gelb blühenden Chrysanthemenstaude umgeben. Das Motiv ist einer chinesischen Schale der Kangxi-Ära im „famille verte“-Stil entlehnt, die noch heute in der Dresdner Porzellansammlung verwahrt wird (siehe Abbildung oben). Neben den Dekoren nach ostasiatischen Vorbildern verwendete man in der Höroldt-Werkstatt in den 1720er und 1730er Jahren noch weitere Dekorationsarten, die sich ausgesprochen großer Beliebtheit erfreuten: belebte europäische Landschaftsprospekte, die Chinoiserie und die Kauffahrtei. Letztere bildet Szenerien der Handelsschiffahrt in europäischen Häfen und Küstenlandschaften ab und ist vielfach inspiriert von niederländischen Grafiken des 17. Jahrhunderts. So zeigt die ovale Zuckerdose mit Hasenknauf umlaufend und in zwei Szenen auf dem Deckel europäische und orientalische Kaufmänner beim Handel um bereits gelöschte Waren [Lot 32].

Johann Wilhelm Weinmann,
Phytanthoza iconographia,
Tafel 704, Regensburg 1745. München,
Bayerische Staatsbibliothek, Standort Rar. 2197-3
MEISSEN, UM 1745
Platte
D. 30 cm

AUKTION 406 // LOT 18
ERGEBNIS: € 390 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

Ende der 1730er Jahre lösten, dem geschmacklichen Wandel an den europäischen Höfen folgend, neue Motive die bewährten ab. In Mode kamen nun galante Szenen und Commedia dell’arte-Darstellungen im Stil Jean-Antoine Watteaus (1684  – 1721), aber auch florale Motive, die grafischen Vorlagen des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts folgen. Eine kurze Zeit des Übergangs existierten alte und neue Dekorationsformen nebeneinander, wie die Kaffeekanne [Lot 22] oder ein Satz von drei prachtvollen Tellern aus der Zeit um 1740 beweist [Lot 24]. Letztere sind im Zentrum des Spiegels jeweils mit einer Vierpass-Kartusche mit europäischen Hafenlandschaften versehen, die von einer reichen Goldbordüre aus Laub- und Bandelwerk im Stil des Régence umlaufen wird. Locker angeordnet, jedoch von ordentlicher Größe und prächtig ausgeführt, hat der Porzellanmaler bunte Blumenarrangements und verschiedene Insekten um die Bildkartuschen gesetzt.

Das erste Meissener Service, das ausschließlich mit naturalistisch gestalteten Blumen nach Aquarellen nach dem Blumenbuch der Magdalena Rosina Funck (1672  – nach 1792) dekoriert wurde, war jenes für den Kölner Kurfürsten Clemens August (1700  – 1761), an welchem seit September 1741 in der Manufaktur gearbeitet wurde. Einen Höhepunkt dieser Dekora - tionsform stellt zweifelsohne das „Brühlsche Allerlei“ [Lot 16 und 40] für den sächsischen Staatsmann und Oberdirektor der Porzellan-Manufaktur Heinrich Graf von Brühl dar, dessen Formstücke bereits ab 1742 entstanden, die Bemalung jedoch erst ab 1745 ausgeführt wurde. Die naturalistisch gestalteten Blumen und Früchte, die sich geradezu plastisch vor dem reinen Weiß des Meissener Scherbens abheben, sind mehrheitlich nach den Illustrationen des vier Bände und 1025 Tafeln umfassenden Pflanzenbuches „Phytanthoza Iconografia“ des Regensburger Apothekers Johann Wilhelm Weinmann (1683  – 1741) gestaltet (siehe Abbildung links). 

Deutlich steht hier, ebenso wie auf den Platten (Lot 17 und 18) das Interesse an einer akkuraten und naturwissenschaftlich korrekten Darstellung der Pflanzenwelt im Vordergrund. Für einen kurzen Zeitraum schwangen sich europäische Blumen und Früchte zu farbenfrohen Protagonisten auf Meissener Porzellan auf, bevor sie spätestens ab 1750 – wo sie ein letztes Mal, jedoch wieder deutlich kleiner, in Kombination mit plastischen Blumenapplikationen glänzen [Lot 8] – in einen Dornröschenschlaf als liebliches Dekorum auf Geschirrporzellanen und figürlichen Porzellanen gleichermaßen verfielen. Das von Johann Friedrich Eberlein im Jahr 1746 modellierte Türkenpaar als Zuckerschalen [Lot 37] illustriert trefflich das gefällige Nebeneinander kleiner dekorativer Blumenbouquets aus sogenannten „Deutschen Blumen“ auf den Deckelgefäßen und „Indianischen Blumen“ auf den Untergewändern der beiden exotisch gekleideten Figuren; obgleich sie auch hier mit großer handwerklicher Sorgfalt ausgeführt wurden, reichen sie doch kaum mehr an die Raffinesse der ostasiatischen Dekore der 1720er und 1730er Jahre bzw. der Blumenmalerei der 1740er heran.

- Bechervase

Auktion 406, Kat.-Nr. 11

Schätzpreis € 10.000 bis € 15.000
Ergebnis € 32.500 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Platte

Auktion 406, Kat.-Nr. 18

Schätzpreis € 400 bis € 500
Ergebnis € 390 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Kumme

Auktion 406, Kat.-Nr. 21

Schätzpreis € 1.600 bis € 1.800
Ergebnis € 2.080 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Kaffeekanne

Auktion 406, Kat.-Nr. 22

Schätzpreis € 2.200 bis € 2.500
Ergebnis € 2.340 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Doppelhenkeltasse mit Untertasse

Auktion 406, Kat.-Nr. 23

Schätzpreis € 1.800 bis € 2.000
Ergebnis € 2.340 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Drei Teller

Auktion 406, Kat.-Nr. 24

Schätzpreis € 2.000 bis € 2.200
Ergebnis € 2.600 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Teedose

Auktion 406, Kat.-Nr. 25

Schätzpreis € 1.500 bis € 1.800
Ergebnis € 1.560 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Zuckerdose

Auktion 406, Kat.-Nr. 32

Schätzpreis € 4.000 bis € 4.500
Ergebnis € 4.940 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Türke und Türkin mit Zuckerdose

Auktion 406, Kat.-Nr. 37

Schätzpreis € 1.600 bis € 1.800
Ergebnis € 1.560 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Tasse mit Untertasse

Auktion 406, Kat.-Nr. 39

Schätzpreis € 1.000 bis € 1.500
Ergebnis € 1.950 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

- Tasse mit Untertasse aus dem "Brühlschen Allerlei"

Auktion 406, Kat.-Nr. 40

Schätzpreis € 300 bis € 400
Ergebnis € 0 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

PORZELLAN
FAYENCEN
 

EINFACH NUR SCHÖN

NEUMEISTER versteigert ausgesuchte Objekte aus dem Nachlass des Kunstsammlers ADAM SIEDER


Adam Sieder, ehemaliger Vorstand der Sparkasse Memmingen und sein Leben lang kunstinteressiert, sammelte vor allem gotische Skulpturen und Barockmöbel aus dem süddeutschen Raum sowie Werke des deutschen Barockmalers Johann Heiss (1640 Memmingen  – 1704 Augsburg).

HIGHLIGHTS AUKTION KUNSTHANDWERK UND ANTIQUITÄTEN

28. SEPTEMBER, 14 UHR