HAUS BESUCH IN AUGSBURG


 

Der prunkvolle Rokoko-Festsaal ist das Herzstück des 1765 bis 1770 errichteten Schaezlerpalais

Durchblick: Fluchtmöglichkleiten vor dem Alltag bieten sich im Schaezlerpalais drinnen und draußen im Rokokogarten mit Brunnen und Buchsbäumen.

 

Augsburg ist eine Stadt mit reicher Kulturtradition, steht aber auch mit beiden Beinen im Heute und entwickelt Visionen fürs Morgen. Im SCHAEZLERPALAIS laufen Entwicklungslinien zusammen. Wir sprachen dort mit dem Museumsdirektor DR. CHRISTOF TREPESCH über schöne Dinge, darunter restituierte Kunstobjekte der Gutmann-Sammlung, die bislang in Schaezlerpalais eingelagert waren und nun bei NEUMEISTER versteigert werden.


Ich bin ein LIEBHABER SCHÖNER DINGE


INTERVIEW mit Dr. Christof Trepesch
Leitender Museumsdirektor der Kunstsammlungen und Museen der Stadt Augsburg

Augsburg ist eine Kulturstadt mit einer unglaublich großen Bandbreite. Durch seine langewährende und bedeutende Geschichte sind hier viele bedeutende Themen präsent: Augsburg war Hauptstadt einer römischen Provinz und ist reich an archäologischen Schätzen. Augsburg ist eng mit der Familie Fugger verbunden, die hier die älteste Sozialsiedlung der Welt gründete. Die ehemals freie Reichsstadt ist aber auch die Stadt des nach ihr benannten Religionsfriedens. Augsburg ist zudem der Geburtsort von Leopold Mozart und Bertold Brecht. Im 19. Jahrhundert war die schwäbische Metropole eine boomende Industriestadt, es war das „deutsche Manchester“. Hier erfand Rudolf Diesel den Dieselmotor. Aber auch der erste Renaissancebau nördlich der Alpen – die Fugger-Kapelle – befindet sich in ihren Stadtmauern und nicht zu vergessen die reiche Silber- und Kunsthandwerkstradition. Das alles und noch viel mehr gibt es in Augsburg zu entdecken. Hinzu kommt eine lebendige zeitgenössische Szene. Die kulturelle Vielfalt ist die große Stärke Augsburgs!

Die Kunstsammlungen und Museen Augsburg umfassen zehn Häuser und Institutionen, das Römische Museum und die Stadtarchäologie, das Maximilianmuseum, das Schaezlerpalais mit der Deutschen Barockgalerie, der Grafischen Sammlung und der Karl und Magdalene Haberstock-Stiftung, das Leopold Mozarthaus, das Brechthaus, das H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast, die Halle 1 – Raum für Kunst im Glaspalast und schließlich die Neue Galerie sowie das Grafische Kabinett im Höhmannhaus.

In unseren Häusern ist die große Vielfalt der Augsburger Vergangenheit und Gegenwart erlebbar. Bis 11. September zeigen wir im Schaezlerpalais eine Ausstellung unter dem Titel „Pax und Pecunia. Kunst, Kommerz und Kaufmannstugend“ mit Gouachen teils zerstörter Deckenfresken aus der Barockzeit, die erstmals ausgestellt und in einem Katalog umfassend dokumentiert werden. Im H2 zeigen wir ebenfalls bis September mit „European Trails“ herausragende Fotografien von zeitgenössischen Fotografinnen, die sich mit dem Thema der Herkunft, Erinnerung und Identität beschäftigen, darunter Werke von Katharina Sieverding, Candida Höfer, Herlinde Koelbl und Magdalena Jetelová.

Gibt es hinsichtlich der Vermittlung besondere Konzepte für (jüngere…) Zielgruppen, die sich womöglich weniger für Kultur interessieren? Wir bieten durch unsere Kunst- und Kulturvermittlung ein breites Vermittlungsprogramm an, das die verschiedensten Zielgruppen und Communities anspricht, wobei wir auch dem Thema barrierefreiem Zugang und inklusiven Führungen eine besonders wichtige Rolle zukommen lassen. Eine digitale Vermittlungsstrategie über Social Media und unser Web www.kmaugsburg.de rundet das Angebot ab.

Die Kunst und Kultur der Barockzeit ist dem modernen Menschen sehr fremd geworden, da schon allein viele der Darstellungen dem heutigen Bildungshorizont fremd sind. Wer kennt schon die Geschichten aus Ovids Metamorphosen? Oder andere Mythen? Selbst neu- und alttestamentarische Szenen sind vielen unbekannt. Daher ist es besonders wichtig, Darstellungen aus der Barockzeit zu erläutern, sie zu erklären und in den damaligen Zeitkontext zu integrieren. Kontextualisierung ist das Gebot der Stunde, die Einbettung des Dargestellten in den Entstehungskontext, überhaupt, das Wissen der damaligen Zeit.

Die Kunst des Barock und Rokoko entfaltet einen großen Reichtum an Farb- und Formfindungen, die einen Staunen lassen. Gerade Bozzetti oder Ölskizzen von Wand- und Deckenfresken geben einen faszinierenden Einblick in die Kompositionsweise der Maler und Freskanten des 18. Jahrhunderts. Davon verwahren wir in der Deutschen Barockgalerie einen bedeutenden Bestand, der sich im Wesentlichen mit den Malern der Augsburger Kunstakademie verbindet.

Meine Aufgabe ist es, immer wieder neue Themen und Projekte zu erfinden, Impulse aufzugreifen und kreativ umzusetzen. Ein solcher Job ist aufregend, da er alle Bereiche des Museumsmanagements umfasst. Natürlich gibt es auch die andere Seite der Medaille, die trockenen und manchmal auch zermürbenden Verwaltungsvorgänge, die einem das Leben schwer machen. Aber grundsätzlich ist das Ziel der Museumsarbeit Kunst und Kultur den Besucherinnen und Besuchern zu offerieren, ihnen Angebote zur kulturellen Bildung zu unterbreiten. Die Begeisterung der Menschen bei einem Vernissage-Besuch, wenn man den Nerv getroffen hat, ist alles wert.

Das Schaezlerpalais ist der bedeutendste private Baukomplex eines neuadligen Silber- und Textilhändlers, dessen Architektur einzigartig ist. Höhepunkt ist der Festsaal, dessen Dimensionen, Ausstattung und Erhaltung einmalig sind. In den Repräsentationsräumen des Gebäudes zeigen wir herausragende Werke der Deutschen Barockgalerie, wie etwa Tischbeins Porträt einer jungen Dame, Johann Heinrich Schönfelds großartigen römischen Ruinenzeichner, aber auch nicht zu vergessen Anton Rapahel Mengs Augustus und Kleopatra, die eine Inkunabel zur im 18. Jahrhundert beginnenden Ägyptomanie darstellt.

Die Objekte sind von unterschiedlicher Qualität. Man könnte die Objekte auch als hochwertige Ausstattungsgegenstände des gehoben adligen bzw. großbürgerlichen Haushalts beschreiben. Das Damenschreibmöbel, der Stuhl des 18. Jahrhunderts stammen aus dem Wohnambiente der Haberstocks. Die verschiedenen Porzellane wie Gewürzschälchen und Steckväschen zeugen vom Repräsentationsbewusstsein eines Kunsthändlers vor 100 Jahren. Von besonderer Qualität sind die beiden Sakeflaschen und die Meißener Koppchen.

Richtig. Nach eingehender Prüfung des Sachverhaltes ist es unsere moralische Pflicht die Gegenstände an die Nachfahren zurückzugeben. Und wenn sie dann dem Kunsthandel übereignet werden, freut das natürlich jeden Sammler.


SILBERTELLER UND EDLE SCHRÄNKE


Augsburger Schmiede und Schreiner im Barock galten als Künstler und wurden weithin verehrt.

 

Im Barock war Augsburg die Gold- und Silberschmiedemetropole Europas. Die Handwerker wurden weithin verehrt und fertigten mit wertvollsten Materialien einzigartige Kunstwerke. Begehrt an allen europäischen Fürstenhöfen war vor allem das weltbekannte Augsburger Tafelsilber, denn dessen Besitz galt als ein Zeichen für Reichtum und Geschmack.

Wer historische Stücke der Gold- und Silberschmiede gerne einmal selbst betrachten möchte, begibt sich ins Augsburger Maximilianmuseum – oder in die Barer Straße nach München, denn dort wird Augsburger Tafelsilber bei Auktionen immer wieder aufgerufen. Augsburger Preziosen der Sommerauktion sind ein Schlangenhautbecher und eine silberne Gewürzschale mit blauem Glaseinsatz.

 

Immer wieder für hitzige Bietgefechte bei NEUMEISTER sorgen auch elegante Augsburger Barockschränke, allseits bekannt als feinste meisterliche Arbeiten von höchster Qualität. 

 

 

SCHLANGENHAUTBECHER
Augsburg, 1697 – 1699, Paul Solanier

Silber, vergoldet. H. 8,9 cm. 135 g

SCHÄTZPREIS € 1.100 – 1.400 

GEWÜRZSCHALE
Augsburg, 1791 - 1793, Johann Matthias Lang 

Silber mit blauem Glaseinsatz. Ovale, ornamental durchbrochene Empireform auf vier Füßchen.
Marken (Seling 2007, Bz. Nr. 2660, Mz. Nr. 2591), Meister 1782, stirbt nach 1806.
8 x 13,5 x 10 cm.

Provenienz: Sammlung Fritz Bernhard Gutmann, Heemstede - Nachlass Magdalene Haberstock -  Karl und Magdalene Haberstock-Stiftung, Maximilianmuseum Augsburg -  Restituiert an die Erben Goodman (Gutmann), Beverly Hills

SCHÄTZPREIS € 500 – 700 

Das man in Augsburg auch Schmuck konnte, zeigt in der Sommerauktion ein Anhänger mit der Darstellung des Heiligen Michael im Kampf mit dem Teufel. Die goldige Preziose, die um 1610 nach einer Vorlage von Daniel Mignot wohl in Augsburg hergestellt wurde, ist kunstvoll mit einem Rubin und vier weißen Perlen verziert. Solche Anhänger mit figürlichen Motiven kamen im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts in Mode und blieben bis in die beiden ersten Dezennien des 17. Jahrhunderts präsent. Als Meister des Schweifwerks etablierte sich der Hugenotte Daniel Mignot, der zwischen 1593 und 1616 in Augsburg etwa 100 Vorlagen meist für Anhänger verlegte. Zahlreiche Augsburger Goldschmiede wie zum Beispiel David Altenstetter griffen auf seine Vorschläge zurück.

ANHÄNGER MIT DER DARSTELLUNG DES HEILIGEN MICHAELS
Wohl Augsburg, um 1610

SCHÄTZPREIS € 4.500 – 6.000 

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