"ICH WILL ZEIGEN, DASS PORZELLAN LEBT“ WALTHER STÜRMER

Großvater Cornel Stürmer, Sohn Walther Stürmer und dessen Sohn Tobias: In der Zusammenschau von Arbeiten dreier Generationen innerhalb der Familie Stürmer wird in der Spanne von 1923 bis 2021 ein ganzes Jahrhundert Keramik- Geschichte lebendig.

 

Die Geschichte beginnt 1923 und führt nach Aschaffenburg in eine traditionelle Töpferwerkstatt. Dort unternimmt Cornel Stürmer innovative Experimente mit Tonen, Glasuren und Engoben. Fasziniert von der Töpferkunst seines Vaters verbringt der 1933 im schwedischen Stenige geborene Walther Stürmer als Kind viele Stunden neben der väterlichen Drehscheibe. In der kleinen Werkstatt des Vaters macht er eine Töpferlehre. Geprägt ist er während der Ausbildung in Schweden von der klaren und modernen Formensprache, die in den 1950er Jahren in ganz Europa zum Vorbild wird.

 

 

1957 geht Walther Stürmer nach Deutschland. Wie schon sein Vater, nimmt er an der Fachschule in Hoehr-Grenzhausen das Studium zum Keramikingenieur auf. Ebenso bildet er sich in Kunsthandwerk, Baukeramik, Industriedesign und plastischer Kunst unentwegt fort. Mit diesem Erfahrungsschatz wird Walther Stürmer zunächst technischer Leiter bei der von Arnold Bode initiierten Rosenthal Relief Reihe. Anschließend leitet er die Goebel Galerie für zeitgenössische, figürliche Porzellanplastik, wo er namhaften Bildhauern dazu verhilft, in Porzellan zu arbeiten. Walther Stürmer begegnet Künstlern wie Henry Moore, Lucio Fontana, Victor Vasarely, Gerhard Marcks, Otto Piene, Günther Uecker, Gustav Seitz und über 50 anderen führenden Bildhauern, deren künstlerisches Arbeiten in Porzellan er über Jahre hinweg bei Rosenthal und Goebel technisch begleitet. Aus dieser engen Zusammenarbeit entsteht eine ganz neue Richtung der Porzellankunst, die auch seine eigenen Arbeiten inspiriert. Mit immer neuen Experimenten verschafft Walther Stürmer seinem Werkstoff eine Vielfalt neuer Ausdrucksformen. Er verstärkt die Eigentümlichkeiten des Materials anstatt sie – wie in der Industrie, in der er viele Jahre tätig ist – zu bändigen. Dabei ist er seiner Zeit weit voraus, bringt den Werkstoff bewusst an seine Grenzen und entwickelt eine ganz neue, mannigfaltige Ästhetik.

Im Jahr 2002 beginnt Walther Stürmers Sohn Tobias, Musiker und Perkussionist, auf den Unikaten des Vaters zu musizieren. Behutsamt versetzt er die grazilen Objekte durch Streichen, Zupfen, Schlagen, Kratzen, Schleifen oder Eintauchen in Wasser in Schwingung. Walther Stürmer, selbst hoch musikalisch, hat sofort Bezug zu diesen Klangkollagen: So beginnen Vater und Sohn Objekte zu entwerfen, die sich besonders gut für das musikalische Bespielen eignen. Es entstehen Porzellanharfen, Lamellophone, Plättchenrondelle, Wassertrommeln aus umgedrehten Schalen, Gongs und mit Wasser stimmbare Schälchen-Spiele. So verdichten sich die künstlerischen Visionen dreier Generationen von den 1920iger bis zu den 2020iger Jahren zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk, das die Lebendigkeit eines ganzen Jahrhunderts Keramik-Geschichte zum Ausdruck bringt.