Deutsch oder Österreichisch - Turnier in Antwerpen 1498

Auktion 929, Kat.-Nr. 57

SONDERAUKTION KUNST IM EXIL

am 15. März 2021

Deutsch oder Österreichisch

Turnier in Antwerpen 1498

Schätzpreis:
€ 20.000 bis € 25.000

Differenzbesteuerung    

Ergebnis:
€ 127.000 (inkl. 27 % Käuferaufgeld)

Beschreibung:

Deutsch oder Österreichisch

um 1600 (?)

 

Turnier in Antwerpen 1498

 

 

Auf der Rückseite Inventarklebeetikett "C.Ö.W.F.H.I." mit Nummerierung 57. Öl auf Lwd. 125 x 305 cm. Doubliert. Erg. Rest. Min. besch. Rahmen besch.

 

Auf einem am oberen Rand später angebrachten Leinwandstreifen bezeichnet: "hie kam der durchleuchtig un[d] hochgebor[n] first hertzog vilib[us] ertzhertzog czu esterreich un[d] hertzog czu burgundi: etc. bracht seine diener auff / mit namen den hochgebornen fyrsten margraff bernhart zu badaw selb XV wol vorwapnet czu schimpf [?] und ernst buten sich czu / schlahen wer da kem nach lautt der geschrift daruber bogriffenn was - / bald darnach kam der durchleichtig hochgeborne first un[d] herr hertzog erich von braunschweig selb XV den / vorgenanten firsten und herren zu beston nach seinem bogeren das geschach in der stat andorff die da leit / in braffant am sontag nach sant lauxtag do man czalt : 1.4.9.4.".

 

Diese Bezeichnung benennt die Hauptbeteiligten des Geschehens, historisch fassbare Personen. Einigen der Teilnehmer am Turnier sind in der Darstellung ihre Namen zugeordnet. Trotz der authentischen Wirkung dieser Benennungen lässt sich das erwähnte Turnier in den uns bekannten Quellen und in der Literatur nicht belegen. Turnierdarstellungen in gemalter Form sind sehr selten. Man vermutet, dass diese großformatigen Gemälde als Ersatz für nur unter größtem zeitlichen und finanziellen Aufwand herzustellende Wandteppiche gefertigt wurden. Turniere wurden in der Regel in sog. Turnierbüchern, auch in illustrierten Chroniken oder in Form von Buchillustrationen dargestellt - also in kleinem Format.

 

Die deutsche Bezeichnung des Gemäldes nimmt Bezug auf Erzherzog Philipp "den Schönen" (1478 Brügge -1506 Burgos). Dieser war der älteste Sohn Kaiser Maximilians I., des "letzten Ritters", und seiner Gemahlin Maria von Burgund. In politisch unruhigen Zeiten zeigte sich Philipps Talent als Moderator, dessen Ratschläge jedoch vorerst ungehört blieben. 1493 baten die Generalstaaten Kaiser Maximilian I., seinem 15jährigen Sohn die Herrschaft über die Niederlande zu gewähren. Die entsprechenden Huldigungsfeiern fanden 1494 in den einzelnen Fürstentümern statt. Seit seiner Jugend mit den Menschen und den Institutionen vertraut, gelang es Philipp, die Sympathie und das Vertrauen seiner Untertanen zu erlangen, er suchte friedliche Beziehungen zu Frankreich. Die Niederlande erlebten während seiner Regentschaft eine Wiederherstellung der inneren Ruhe und wirtschaftliches Wachstum.

 

1495 (per procuram) bzw. effektiv 1496 heiratete der Erzherzog Johanna von Kastilien-Aragón, während seine Schwester Margarete mit Don Juan von Kastilien-Aragón verheiratet wurde. Johanna wurde schließlich Erbin der Königreiche Kastilien, Leon, Aragón und Granada. Die Habsburger standen fortan an der Spitze Spaniens und Süditaliens und der Kolonien. Philipps und Johannas Sohn Karl sollte als Kaiser Karl V. über ein Reich regieren, in dem sprichwörtlich "die Sonne nicht unterging". Die gemeinsame Tochter Maria sollte Königin von Ungarn werden.

 

Das laut Bezeichnung am 19. Oktober 1494 stattgefundene Turnier steht in Zusammenhang mit den erwähnten Huldigungsfeierlichkeiten dieses Jahres. Anlässlich des Einzugs Philipps in Antwerpen fanden nachweislich zwei Turniere statt. Ein Wettkampf, auf welchem auch Friedrich der Weise von Sachsen und Erich von Braunschweig anwesend waren, ist auf einem Wandteppich im Musée des Beaux Arts in Valenciennes dargestellt. "Unser" Turnier ist in den Quellen jedoch nicht nachweisbar. Die Gesichtszüge so manch prominenten, durch die Wappen eigentlich zu identifizierenden Teilnehmers bzw. Gastes lassen sich nicht zuordnen. Möglicherweise ist dieser Umstand durch die Tatsache zu erklären, dass das Gemälde in einem größeren zeitlichen Abstand zum Geschehen angefertigt wurde.

 

Dargestellt sind die verschiedenen Phasen eines Turniers: Der Einzug der Kombattanten auf dem Turnierplatz, die Wahl des Gegners, das Anlegen von Rüstung, Lanze und Schwert, der Wettstreit als solcher und das Versorgen von zu Boden gegangenen Teilnehmern. Eine der wenigen eindeutig zu identifizierenden Figuren ist übrigens Erich von Braunschweig, der rechts voranreitet und durch seine markante Helmzier gekennzeichnet ist.

 

In der Literatur wird vermutet, dass das vorliegende Gemälde nach einer älteren Darstellung geschaffen wurde. Vergleichsmöglichkeiten in der Kunst um 1500 gibt es zahlreiche: Auf Druckgraphiken dieser Zeit sind immer wieder Turniere dargestellt: Der um 1500 tätige "Meister MZ" schuf einen Kupferstich, der dem unbekannten Künstler unseres Gemäldes oder ggf. der Vorlage zu diesem bekannt gewesen sein könnte. Lucas Cranachs d. Ä. Holzschnitte mit Turnierdarstellungen (1506), Hans Burgkmairs Illustrationen im "Freydal" (um 1513) oder Jost Ammans Darstellungen für Georg Rüxners "ThurnierBuch" (erstmals 1530 erschienen) können ebenfalls zum Vergleich herangezogen werden.

 

Ein interessanter Aspekt der Verwendung gemalter Turnierdarstellungen in höfischem Umfeld blieb in der wissenschaftlichen Diskussion des vorliegenden Gemäldes bislang unbehandelt: So schuf z. B. Heinrich Göding d. Ä. (1531 Braunschweig -1606 Dresden) für die Dresdener "Stallgalerie" (die Galerie des Langen Ganges des Dresdener Stallhofes) 1589/90 u. a. 29 Turnierbilder, darstellend die "Scharfrennen" des sächsischen Kurfürsten August in den Jahren 1543-1566. Kombiniert waren diese Gemälde mit 47 überlebensgroßen, ganzfigurigen Darstellungen sächsischer Herrscher. Diese Dekoration ist also im Sinne des "Herrscherlobs" zu interpretieren. Von Gödings Turnierbildern haben sich neun erhalten. Möglicherweise ist auch das vorliegende großformatige Werk für einen ähnlichen Kontext geschaffen worden.

 

Literatur: Ausst.-Kat. "Mary of Hungary. The Queen and Her Court 1521-1531". Budapest, Historisches Museum, 30. September 2005 - 9. Januar 2006 u. a. Budapest 2005, Kat.-Nr. II-2: mit weiterführender Literatur.



Datierung:
um 1600 (?)


Signatur-Bez-Recto:
Auf der Rückseite Inventarklebeetikett "C.Ö.W.F.H.I." mit Nummerierung 57
Technik:
Öl
Träger:
auf Lwd
Maße:
125 x 305 cm
Zustand:
Doubliert. Erg. Rest. Min. besch
Rahmen:
Rahmen besch
Literatur:
Ausst.-Kat. "Mary of Hungary. The Queen and Her Court 1521-1531". Budapest, Historisches Museum, 30. September 2005 - 9. Januar 2006 u. a. Budapest 2005, Kat.-Nr. II-2: mit weiterführender Literatur.
Kommentar:
Diese Bezeichnung benennt die Hauptbeteiligten des Geschehens, historisch fassbare Personen. Einigen der Teilnehmer am Turnier sind in der Darstellung ihre Namen zugeordnet. Trotz der authentischen Wirkung dieser Benennungen lässt sich das erwähnte Turnier in den uns bekannten Quellen und in der Literatur nicht belegen. Turnierdarstellungen in gemalter Form sind sehr selten. Man vermutet, dass diese großformatigen Gemälde als Ersatz für nur unter größtem zeitlichen und finanziellen Aufwand herzustellende Wandteppiche gefertigt wurden. Turniere wurden in der Regel in sog. Turnierbüchern, auch in illustrierten Chroniken oder in Form von Buchillustrationen dargestellt - also in kleinem Format. Die deutsche Bezeichnung des Gemäldes nimmt Bezug auf Erzherzog Philipp "den Schönen" (1478 Brügge -1506 Burgos). Dieser war der älteste Sohn Kaiser Maximilians I., des "letzten Ritters", und seiner Gemahlin Maria von Burgund. In politisch unruhigen Zeiten zeigte sich Philipps Talent als Moderator, dessen Ratschläge jedoch vorerst ungehört blieben. 1493 baten die Generalstaaten Kaiser Maximilian I., seinem 15jährigen Sohn die Herrschaft über die Niederlande zu gewähren. Die entsprechenden Huldigungsfeiern fanden 1494 in den einzelnen Fürstentümern statt. Seit seiner Jugend mit den Menschen und den Institutionen vertraut, gelang es Philipp, die Sympathie und das Vertrauen seiner Untertanen zu erlangen, er suchte friedliche Beziehungen zu Frankreich. Die Niederlande erlebten während seiner Regentschaft eine Wiederherstellung der inneren Ruhe und wirtschaftliches Wachstum. 1495 (per procuram) bzw. effektiv 1496 heiratete der Erzherzog Johanna von Kastilien-Aragón, während seine Schwester Margarete mit Don Juan von Kastilien-Aragón verheiratet wurde. Johanna wurde schließlich Erbin der Königreiche Kastilien, Leon, Aragón und Granada. Die Habsburger standen fortan an der Spitze Spaniens und Süditaliens und der Kolonien. Philipps und Johannas Sohn Karl sollte als Kaiser Karl V. über ein Reich regieren, in dem sprichwörtlich "die Sonne nicht unterging". Die gemeinsame Tochter Maria sollte Königin von Ungarn werden. Das laut Bezeichnung am 19. Oktober 1494 stattgefundene Turnier steht in Zusammenhang mit den erwähnten Huldigungsfeierlichkeiten dieses Jahres. Anlässlich des Einzugs Philipps in Antwerpen fanden nachweislich zwei Turniere statt. Ein Wettkampf, auf welchem auch Friedrich der Weise von Sachsen und Erich von Braunschweig anwesend waren, ist auf einem Wandteppich im Musée des Beaux Arts in Valenciennes dargestellt. "Unser" Turnier ist in den Quellen jedoch nicht nachweisbar. Die Gesichtszüge so manch prominenten, durch die Wappen eigentlich zu identifizierenden Teilnehmers bzw. Gastes lassen sich nicht zuordnen. Möglicherweise ist dieser Umstand durch die Tatsache zu erklären, dass das Gemälde in einem größeren zeitlichen Abstand zum Geschehen angefertigt wurde. Dargestellt sind die verschiedenen Phasen eines Turniers: Der Einzug der Kombattanten auf dem Turnierplatz, die Wahl des Gegners, das Anlegen von Rüstung, Lanze und Schwert, der Wettstreit als solcher und das Versorgen von zu Boden gegangenen Teilnehmern. Eine der wenigen eindeutig zu identifizierenden Figuren ist übrigens Erich von Braunschweig, der rechts voranreitet und durch seine markante Helmzier gekennzeichnet ist. In der Literatur wird vermutet, dass das vorliegende Gemälde nach einer älteren Darstellung geschaffen wurde. Vergleichsmöglichkeiten in der Kunst um 1500 gibt es zahlreiche: Auf Druckgraphiken dieser Zeit sind immer wieder Turniere dargestellt: Der um 1500 tätige "Meister MZ" schuf einen Kupferstich, der dem unbekannten Künstler unseres Gemäldes oder ggf. der Vorlage zu diesem bekannt gewesen sein könnte. Lucas Cranachs d. Ä. Holzschnitte mit Turnierdarstellungen (1506), Hans Burgkmairs Illustrationen im "Freydal" (um 1513) oder Jost Ammans Darstellungen für Georg Rüxners "ThurnierBuch" (erstmals 1530 erschienen) können ebenfalls zum Vergleich herangezogen werden. Ein interessanter Aspekt der Verwendung gemalter Turnierdarstellungen in höfischem Umfeld blieb in der wissenschaftlichen Diskussion des vorliegenden Gemäldes bislang unbehandelt: So schuf z. B. Heinrich Göding d. Ä. (1531 Braunschweig -1606 Dresden) für die Dresdener "Stallgalerie" (die Galerie des Langen Ganges des Dresdener Stallhofes) 1589/90 u. a. 29 Turnierbilder, darstellend die "Scharfrennen" des sächsischen Kurfürsten August in den Jahren 1543-1566. Kombiniert waren diese Gemälde mit 47 überlebensgroßen, ganzfigurigen Darstellungen sächsischer Herrscher. Diese Dekoration ist also im Sinne des "Herrscherlobs" zu interpretieren. Von Gödings Turnierbildern haben sich neun erhalten. Möglicherweise ist auch das vorliegende großformatige Werk für einen ähnlichen Kontext geschaffen worden.