Frans Francken d. J. - Bergpredigt

Auktion 410, Kat.-Nr. 558

JUBILÄUMS-AUKTION

am 20. September 2023 bis 21. September 2023

Frans Francken d. J.

1581 Antwerpen - 1642 ebenda


Bergpredigt

Schätzpreis:
€ 40.000 bis € 60.000

Differenzbesteuerung    

Ergebnis:
€ 58.500 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

Beschreibung:

Frans Francken d. J.

1581 Antwerpen - 1642 ebenda

Bergpredigt


L. u. signiert "D° FFRANCK IN. F.". Rücks. Reste eines Sammlungssiegels (lediglich die Bekrönung des Wappens ist noch erkennbar). Öl auf Holz. 33 x 79 cm. Rest. Besch. Rahmen min. besch. (48,5 x 95,5 cm).


DIE BERGPREDIGT

"Die Botschaft Jesu ist in der Bergpredigt enthalten, ganz und unverfälscht ... Wenn nur die Bergpredigt und meine eigene Auslegung davon vor mir läge, würde ich nicht zögern zu sagen: Ja, ich bin ein Christ." (Mahatma Gandhi. Zitiert nach Kuschel, Karl-Joseph, Lust an der Erkenntnis - Die Theologie des 20. Jahrhunderts. Ein Lesebuch. München 1989, S. 228).



"Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie: Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott / denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden / denn sie werden getröstet werden. Selig, die keine Gewalt anwenden / denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit / denn sie werden satt werden. Selig die Barmherzigen / denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben / denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften / denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden / denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt." (Matthäus 5, 1-12: Der Beginn der Bergpredigt mit den Seligpreisungen).

Als Ursula Härting die "Bergpredigt" von Frans Francken d. J., das einzige ihr bekannte Gemälde, in welchem sich der Künstler mit diesem Schlüsselthema des christlichen Glaubens auseinandersetzte, in ihr Werkverzeichnis aufnahm, kannte sie das Original nicht. Es lag ihr lediglich eine Abbildung vor, die im Archiv des Rijksbureaus voor kunsthistorische Documentatie in Den Haag verwahrt wurde. Ihr war bekannt, dass das Gemälde in französischem Privatbesitz war, ebenso gibt sie - historisch ungenau - als Herkunft an: "Collecting point, Nr. 3202" (vgl. die Angaben zur Provenienz am Ende des Textes).

Aus kunsthistorischer Sicht ist es nur zu bedauern, dass Ursula Härting das Gemälde nicht aus eigener Anschauung kannte und somit nicht beschreiben konnte, um welch künstlerisches Meisterwerk Frans Franckens es sich handelt:

In queroblongem Format stellt der Künstler das Thema mit allen Mitteln seiner kompositorischen Kreativität und farblich delikaten "Glanzlichtern" höchst suggestiv dar: Vor der Stadt, auf einem (nicht allzu hohen) Berg, spricht Christus zum Volk. Dicht gedrängt, sitzend, stehend, nachdenklich kauernd, betend, erstaunt, teilnehmend oder auch vor Müdigkeit eingeschlafen wie die junge Mutter mit Kind im Hintergrund: Alle haben sich eng umeinander geschart, um der Predigt zu lauschen. Christus steht etwas abseits von der Gruppe. Hoch aufgerichtet, in Schrittposition und mit beiden Händen gestikulierend spricht er zu seinen Zuhörern.

Im typisch "verblauenden" Hintergrund sind die Bauwerke der Stadt zu erkennen, atmosphärisch in Grün- und Blautönen wiedergegeben. Der Himmel ist bewölkt. Während sich die Wolken über Christus lichten, ziehen rechts bedrohlich-dunkle Wolken davon. Das indirekt einfallende Licht lässt die Gesichter mancher Personen ungewöhnlich fahl erscheinen, punktuell leuchten verhalten die Farben der verschiedenen Gewänder auf.

Wenngleich Christus etwas unterhalb der auf einem flachen Hügel zusammengedrängten Menschen steht, so wirkt er dennoch größer als alle anderen Versammelten, monumentaler. Kreativ rhythmisierend baut der Künstler die Menge der Zuhörer auf: Zwischen einem im Hintergrund stehenden Mann mit blauem Turban steigt die Komposition leicht diagonal über zahlreiche sitzende Frauen an bis zu der beschließenden Gruppe von stehenden Männern rechts, dominiert von einem Turbanträger mit kostbarem rosafarbenen Mantel. Von links drängen weitere Zuhörer nach.

Höchst sensibel stellt Frans Francken durch Lichtführung und farbliche Betonung Beziehungsachsen zwischen Christus und dem Volk und auch von einzelnen Figurengruppen innerhalb der Versammelten her. Unvergleichlich, wie der Blick auf eine sitzende junge Mutter gelenkt wird, annähernd mittig platziert, reich gekleidet. Andächtig hört sie die Predigt, wenngleich ihre Aufmerksamkeit gleichzeitg ihrem Kind gewidmet sein muss. Neben ihr eine Greisin mit gefalteten Händen, spätes Heil und Trost in den Worten Christi erhoffend. Alleine diese drei Personen für sich betrachtet: ein Sinnbild für die drei Lebensalter, und somit im Kleinen die Kernaussage der gesamten Komposition wiederspiegelnd: Frau und Mann, Jung und Alt, Arm und Reich - ALLE haben sich vollständig versammelt, um zu hören und zu beten.

Frans Francken der Jüngere ist der bedeutendste Maler aus einer Antwerpener Künstlerfamilie, die von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts aktiv war. Er spezialisierte sich auf viel- und kleinfigurige Szenen im sog. Kabinettformat. In Antwerpen führte er eine große Werkstatt mit zahlreichen Mitarbeitern. Rund 500 Gemälde, auf Holz oder Kupfer gemalt, sind erhalten geblieben. In diesen befasst sich der Künstler mit Themen des Alten und Neuen Testaments, der antiken Mythologie und Geschichte und mit allegorischen Darstellungen. Leinwandgemälde entstanden nur in Zusammenhang mit kirchlichen Aufträgen größeren Formats.

Die Auftraggeber und Käufer seiner Gemälde waren wohl mehrheitlich Mitglieder des Bürgertums und des niederen Adels. Besonders beliebt waren seine vielfigurigen Szenen, von den Zeitgenossen wie folgt charakterisiert: "het gewoel is zonder ent" ("das Treiben ist ohne Ende"). Wissend um die große Zahl von Mitarbeitern in dessen Atelier, suchten die Sammler bewusst nach den "origineelkens", den eigenhändig geschaffenen Werken Frans Franckens. Dieser signierte - nebenbei bemerkt - jedoch auch Gemälde, die er lediglich mit letzten Strichen "geadelt" hatte. Anfangs war der Vorsatz "D. j." ("de jonghe", der jüngere) in der Signatur gebräuchlich, später (wohl ab dem zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts) dann abgelöst durch "D. o." ("de oude", der alte). In dieser Form signierte Frans Francken auch das vorliegende Werk, das laut Signatur als "origineel", als vollständig eigenhändig geschaffen zu gelten hat.

Provenienz: Privatbesitz Frankreich. - Theo Hermsen, Paris (Kunstagent). - 1943 vom Kunsthändler Hildebrand Gurlitt erworben und an den Stab des "Führermuseums" in Linz verkauft. Vgl. hierzu das Einkaufsbuch Gurlitts aus dem Jahr 1943. Dort ist mit Nr. 1800 ein Gemälde "Bibl. Szene" von F. Francken aufgeführt, angekauft am 30. September 1943. Am 14. Oktober des Jahres erfolgt der Verkauf an das "Museum Linz". - Sonderauftrag Linz mit Nr. 3202. - 1945 in den Wirren vor dem Einmarsch der Amerikaner in München im Rahmen des "Führerbau-Diebstahls" geraubt. - Münchener Privatbesitz. - Über Schenkung und Vererbung in süddeutschen Privatbesitz gelangt. - Das Eigentum am Gemälde der jetzigen Besitzer ist geklärt.



Literatur: Härting, Ursula, Frans Francken der Jüngere (1581-1642). Die Gemälde mit kritischem Oeuvrekatalog (= Flämische Maler im Umkreis der großen Meister 2). Freren 1989, S. 269, WVZ-Nr. 148 (mit Abb.).



Signatur-Bez-Vorne:
L. u. signiert "D° FFRANCK IN. F."
Signatur-Bez-Recto:
Rücks. Reste eines Sammlungssiegels (lediglich die Bekrönung des Wappens ist noch erkennbar)
Technik:
Öl
Träger:
auf Holz
Maße:
33 x 79 cm
Zustand:
Rest. Besch
Rahmen:
Rahmen min. besch. (48,5 x 95,5 cm)
Kommentar:
Als Ursula Härting die "Bergpredigt" von Frans Francken d. J., das einzige ihr bekannte Gemälde, in welchem sich der Künstler mit diesem Schlüsselthema des christlichen Glaubens auseinandersetzte, in ihr Werkverzeichnis aufnahm, kannte sie das Original nicht. Es lag ihr lediglich eine Abbildung vor, die im Archiv des Rijksbureaus voor kunsthistorische Documentatie in Den Haag verwahrt wurde. Ihr war bekannt, dass das Gemälde in französischem Privatbesitz war, ebenso gibt sie - historisch ungenau - als Herkunft an: "Collecting point, Nr. 3202" (vgl. die Angaben zur Provenienz am Ende des Textes). Aus kunsthistorischer Sicht ist es nur zu bedauern, dass Ursula Härting das Gemälde nicht aus eigener Anschauung kannte und somit nicht beschreiben konnte, um welch künstlerisches Meisterwerk Frans Franckens es sich handelt: In queroblongem Format stellt der Künstler das Thema mit allen Mitteln seiner kompositorischen Kreativität und farblich delikaten "Glanzlichtern" höchst suggestiv dar: Vor der Stadt, auf einem (nicht allzu hohen) Berg, spricht Christus zum Volk. Dicht gedrängt, sitzend, stehend, nachdenklich kauernd, betend, erstaunt, teilnehmend oder auch vor Müdigkeit eingeschlafen wie die junge Mutter mit Kind im Hintergrund: Alle haben sich eng umeinander geschart, um der Predigt zu lauschen. Christus steht etwas abseits von der Gruppe. Hoch aufgerichtet, in Schrittposition und mit beiden Händen gestikulierend spricht er zu seinen Zuhörern. Im typisch "verblauenden" Hintergrund sind die Bauwerke der Stadt zu erkennen, atmosphärisch in Grün- und Blautönen wiedergegeben. Der Himmel ist bewölkt. Während sich die Wolken über Christus lichten, ziehen rechts bedrohlich-dunkle Wolken davon. Das indirekt einfallende Licht lässt die Gesichter mancher Personen ungewöhnlich fahl erscheinen, punktuell leuchten verhalten die Farben der verschiedenen Gewänder auf. Wenngleich Christus etwas unterhalb der auf einem flachen Hügel zusammengedrängten Menschen steht, so wirkt er dennoch größer als alle anderen Versammelten, monumentaler. Kreativ rhythmisierend baut der Künstler die Menge der Zuhörer auf: Zwischen einem im Hintergrund stehenden Mann mit blauem Turban steigt die Komposition leicht diagonal über zahlreiche sitzende Frauen an bis zu der beschließenden Gruppe von stehenden Männern rechts, dominiert von einem Turbanträger mit kostbarem rosafarbenen Mantel. Von links drängen weitere Zuhörer nach. Höchst sensibel stellt Frans Francken durch Lichtführung und farbliche Betonung Beziehungsachsen zwischen Christus und dem Volk und auch von einzelnen Figurengruppen innerhalb der Versammelten her. Unvergleichlich, wie der Blick auf eine sitzende junge Mutter gelenkt wird, annähernd mittig platziert, reich gekleidet. Andächtig hört sie die Predigt, wenngleich ihre Aufmerksamkeit gleichzeitg ihrem Kind gewidmet sein muss. Neben ihr eine Greisin mit gefalteten Händen, spätes Heil und Trost in den Worten Christi erhoffend. Alleine diese drei Personen für sich betrachtet: ein Sinnbild für die drei Lebensalter, und somit im Kleinen die Kernaussage der gesamten Komposition wiederspiegelnd: Frau und Mann, Jung und Alt, Arm und Reich - ALLE haben sich vollständig versammelt, um zu hören und zu beten. Frans Francken der Jüngere ist der bedeutendste Maler aus einer Antwerpener Künstlerfamilie, die von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts aktiv war. Er spezialisierte sich auf viel- und kleinfigurige Szenen im sog. Kabinettformat. In Antwerpen führte er eine große Werkstatt mit zahlreichen Mitarbeitern. Rund 500 Gemälde, auf Holz oder Kupfer gemalt, sind erhalten geblieben. In diesen befasst sich der Künstler mit Themen des Alten und Neuen Testaments, der antiken Mythologie und Geschichte und mit allegorischen Darstellungen. Leinwandgemälde entstanden nur in Zusammenhang mit kirchlichen Aufträgen größeren Formats. Die Auftraggeber und Käufer seiner Gemälde waren wohl mehrheitlich Mitglieder des Bürgertums und des niederen Adels. Besonders beliebt waren seine vielfigurigen Szenen, von den Zeitgenossen wie folgt charakterisiert: "het gewoel is zonder ent" ("das Treiben ist ohne Ende"). Wissend um die große Zahl von Mitarbeitern in dessen Atelier, suchten die Sammler bewusst nach den "origineelkens", den eigenhändig geschaffenen Werken Frans Franckens. Dieser signierte - nebenbei bemerkt - jedoch auch Gemälde, die er lediglich mit letzten Strichen "geadelt" hatte. Anfangs war der Vorsatz "D. j." ("de jonghe", der jüngere) in der Signatur gebräuchlich, später (wohl ab dem zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts) dann abgelöst durch "D. o." ("de oude", der alte). In dieser Form signierte Frans Francken auch das vorliegende Werk, das laut Signatur als "origineel", als vollständig eigenhändig geschaffen zu gelten hat. Provenienz: Privatbesitz Frankreich. - Theo Hermsen, Paris (Kunstagent). - 1943 vom Kunsthändler Hildebrand Gurlitt erworben und an den Stab des "Führermuseums" in Linz verkauft. Vgl. hierzu das Einkaufsbuch Gurlitts aus dem Jahr 1943. Dort ist mit Nr. 1800 ein Gemälde "Bibl. Szene" von F. Francken aufgeführt, angekauft am 30. September 1943. Am 14. Oktober des Jahres erfolgt der Verkauf an das "Museum Linz". - Sonderauftrag Linz mit Nr. 3202. - 1945 in den Wirren vor dem Einmarsch der Amerikaner in München im Rahmen des "Führerbau-Diebstahls" geraubt. - Münchener Privatbesitz. - Über Schenkung und Vererbung in süddeutschen Privatbesitz gelangt. - Das Eigentum am Gemälde der jetzigen Besitzer ist geklärt. Literatur: Härting, Ursula, Frans Francken der Jüngere (1581-1642). Die Gemälde mit kritischem Oeuvrekatalog (= Flämische Maler im Umkreis der großen Meister 2). Freren 1989, S. 269, WVZ-Nr. 148 (mit Abb.).