Jeanne-Antoinette Madame de Pompadour (geb. J. -A. Poisson) - Eigenhändiger Brief an Nicolas René Berryer, Comte de La Ferrière, Paris

Auktion 406, Kat.-Nr. 549

HERBSTAUKTION 28. UND 29. SEPTEMBER

am 28. September 2022

Jeanne-Antoinette Madame de Pompadour (geb. J. -A. Poisson)

Eigenhändiger Brief an Nicolas René Berryer, Comte de La Ferrière, Paris

Schätzpreis:
€ 2.000 bis € 2.500

Differenzbesteuerung    

Ergebnis:
€ 2.080 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

Beschreibung:

Jeanne-Antoinette Madame de Pompadour (geb. J. -A. Poisson)

1721 Paris - 1764 Versailles

 

Eigenhändiger Brief an Nicolas René Berryer, Comte de La Ferrière, Paris

 

 

O. O. 14. X. 1757. 1 S. 4°. Mit dem Wachssiegel der Pompadour. Besch. Auf Bütten mit dem Wasserzeichen des Vereinigten Königreiches, umgeben von der Devise "Honi soit qui mal y pense" und anhängenden Buchstaben VDL.

 

Der Inhalt: Madame de Pompadour schreibt am 14. Oktober 1757 an [Nicolas René] Berryer, dass König Ludwig XV. sehr zufrieden über die Bemühungen [Jean Fréderic] Herrenschwands sei. Der König wünsche, dass er diese fortsetze und mit Umsicht alles daran setze, um mehr Aufklärung in die Angelegenheit zu bringen. Der König habe die Pompadour beauftragt, ihm (Berryer) seine diesbezügliche Meinung mitzuteilen. Der König wisse das "Projekt der 25 Millionen" zu schätzen, allerdings sei es im Moment nicht seine Absicht, von diesem Angebot Gebrauch zu machen. Madame de Pompadour schließt diese knappe Mitteilung mit Ausdrücken großer Sympathie für den Empfänger.

 

Die Verfasserin des Briefes:

 

Zu den bekanntesten Gemälden der Alten Pinakothek in München zählt François Bouchers Bildnis der Madame de Pompadour, entstanden 1756, ein Jahr bevor der vorliegende Brief verfasst wurde.

 

In dieser Rolle gefiel sich Madame de Pompadour besonders: Als Königin des Herzens Ludwigs XV., in ihrem Boudoir sitzend. Umgeben von jenen Objekten, die ihr Leben bei Hofe noch angenehmer machten: Bücher, Stiche, Notenblätter, die Korrespondenz auf einem kleinen Schreibtisch. Mimi, ihr Lieblingshund leistet ihr Gesellschaft. Das Wappen der Marquise erscheint auf verschiedenen Gegenständen und zeugt vom Stolz der Mätresse des Königs. Gekleidet ist sie wahrhaft königlich, der Stoff ihres aufwändigen Kleides changiert verführerisch. Kurz: Eine kluge, belesene, kunst- und musikbegeisterte Dame, die als eine der elegantesten Erscheinungen in Paris gilt! Aber diese Äußerlichkeiten sind nur ein Aspekt des Lebens der Pompadour: Auch als sie als Mätresse des Königs in die zweite Reihe treten musste, vertraute der König weiter auf ihren Rat, die Politik Frankreichs war ohne diese selbstbewusste Ratgeberin kaum denkbar.

 

Jeanne-Antoinette Poisson wurde 1721 in Paris als Tochter eines wohlhabenden bürgerlichen Heereslieferanten geboren. Ihr leiblicher Vater hingegen soll ein reicher Bankier adeliger Herkunft gewesen sein: Charles François Paul Le Normant de Tournehem. Dieser sollte später auch die Vormundschaft über die junge Jeanne-Antoinette übernehmen und veranlasste wohl auch, dass sie in die Obhut des Ursulinenklosters von Poissy gegeben wurde. 1741 wurde Jeanne-Antoinette mit Charles-Guillaume Le Normant, Seigneur dÉtiolles (1717-1799), dem Neffen ihres Vormundes, verheiratet.

 

Als 1744 Marie-Anne de Mailly-Nesle, Marquise de La Tournelle und Duchesse de Châteauroux, die Mätresse des Königs starb, konnte Jeanne-Antoinette ihren Plan umsetzen, jener in dieser Rolle nachzufolgen. Im Februar 1745 lernte Ludwig XV. sie kennen, er ernannte sie zu seiner offiziellen Mätresse (frz. maîtresse en titre), der ersten gebürtigen Bürgerlichen mit diesem Status, und erhob sie im Juli desselben Jahres auch zur Marquise de Pompadour mit Landsitz und eigenem Wappen. Im September 1745 wurde sie in Versailles der Hofgesellschaft vorgestellt. Bis 1751 dauerte der vertraute Verkehr mit dem König, ihre Stellung als offizielle Mätresse bewahrte sie jedoch bis zu ihrem Tod 1764. Dies ist auf ihr diplomatisches Geschick zurückzuführen: Sie versuchte, einvernehmlichen Kontakt mit der Königin zu pflegen, 1756 wurde sie zu deren Hofdame ernannt.

 

Die Marquise de Pompadour war eine begabte Netzwerkerin. Zahlreiche Verbündete sicherten ihre Stellung bei Hofe ab, zudem gelang es ihr, den König nicht nur in intimer Hinsicht an sich zu binden. Bald schon machte sich auch ihr politischer Einfluss auf den König bemerkbar, erster Höhepunkt war 1749 die Entlassung des Staatssekretärs Jean-Frédéric Phélypeaux, Graf de Maurepas. Diese erreichte die Pompadour mit der (unzutreffenden) Beschuldigung, dass dieser sie vergiften wolle.

Die Marquise nahm vor allem auch auf die auswärtige Politik Einfluss. So riet sie dem König im Siebenjährigen Krieg zum Bündnis mit Österreich gegen England und Preußen. Und die Pompadour war von starkem Willen: Nach der verlorenen Schlacht bei Roßbach wollte sie dennoch keinen Frieden schließen, da der Frieden den Ruin ihres politischen Lebenswerks bedeutet hätte. Ihre Reaktion: "Après nous le déluge" (deutsch: "Nach uns die Sintflut") ging auch im deutschsprachigen Raum in die Alltagssprache ein.

Von ihrem Engagement auch hinsichtlich der Innenpolitik Ludwigs XV. zeugt der vorliegende Brief.

 

 

 

Der Empfänger:

 

Nicolas René Berryer, Comte de La Ferrière, war ein französischer Jurist und Politiker. Er wurde 1703 in Paris geboren und starb 1762 in Versailles. Als Freund von Madame de Pompadour ließ diese ihn zum "lieutenant général de police" ernennen, als sie Mätresse von Ludwig XV. wurde. Er bekleidete dieses Amt von Mai 1747 bis Oktober 1757. Um die Beziehungen zwischen dem König und seiner Favoritin zu schützen, richtete er ein "Schwarzes Kabinett" ein, um die der Post anvertraute Korrespondenz zu überwachen. Laut Alexis de Tocqueville war Berryer "ein harter, hochmütiger, grober Mann mit viel Unwissenheit und noch mehr Anmaßung und Eigensinn". Am 1. November 1758 wurde er, protegiert von Madame de Pompadour, zum Marineminister ernannt. 1761 ernannte ihn Ludwig XV., nachdem er Berryer als Minister ersetzen ließ, zum "garde des sceaux de France", dem Siegelbewahrer von Frankreich.

 

Der "Spion":

 

Der Schweizer Jean Frédéric Herrenschwand (1728 Murten - 1812 Paris) studierte 1751/52 in Göttingen die Rechte. Bereits im August 1752 ist er in Paris nachzuweisen. Dort war er zunächst Großrichter des Schweizergarderegiments unter dem Kriegsminister Etienne-François de Choiseuil , ab 1763 Schatzmeister desselben tätig. Nach dem Sturz Choiseuils 1770 widmtete er sich als Privatgelehrter in London und Paris ökonomischen Studien.

 

Der historische Hintergrund:

 

Die finanzielle Situation des Königreichs Frankreich war nach Beginn des Siebenjährigen Krieges äußerst angespannt. Man benötigte Geld! Und man lieh sich dieses allerorten. Dies brachte Jean Frédéric Herrenschwand, den Schweizer reformierten Glaubens, auf eine zündende Idee, von der - nach seiner Überzeugung - alle Beteiligten nur profitieren konnten.

 

Die Situation der Protestanten in Frankreich war seit dem Edikt von Fontainebleau (1685) mehr als schwierig: Wer als Protestant erkennbar war, wurde mit Haft oder Galeerenstrafe belegt. Es entstand eine Kirche im Untergrund. Sogar ein Bürgerkrieg entflammte, Ludwig XIV. ließ daraufhin 400 Dörfer dem Erdboden gleichmachen. Viele Menschen konvertierten zwangsweise zum Katholizismus. Dennoch blieb der reformierte Glaube stark und die Protestanten gaben nicht auf, einen "modus vivendi" mit der allerkatholischsten Majestät zu suchen.

 

Im Sommer 1755 traf Pastor Paul Rabaut heimlich mit dem Prince de Conti zusammen, um über Mittel und Wege zu sprechen, wie dieser die Lage der Protestanten in Frankreich verbessern könnte. Die Angelegenheit war mehr als delikat, denn Louis François de Bourbon, Prince de Conti (1717-1776) war der Cousin des französischen Königs! Als Contis politischer Einfluss auf Ludwig XV. jedoch zu schwinden begann, versuchte er im Frühjahr 1756, die Protestanten zu einem Aufstand gegen den König zu verleiten.

 

1757 bereiste Jean Frédéric Herrenschwand jene Gegenden in Frankreich, in welchen der Protestantismus besonders stark verbreitet war, in der Literatur wird Herrenschwand bisweilen als "Spion" bezeichnet. Aus seinen Berichten vermittelt sich ein eindringliches Bild von einer Kirche "im Untergrund", die sich dennoch starken Zulaufs erfreute. Im Gegensatz zu Conti befürwortete Herrenschwand jedoch keinen Aufstand, sondern fand eine raffinierte Lösung, wie die französischen Protestanten ihre Stellung verbessern könnten: Sie sollten dem König in seiner prekären finanziellen Situation mit einem Betrag von 20 bis 25 Millionen Livres helfen. Der Preis, den der König zahlen müsste: die offizielle Anerkennung der Protestanten!

 

Herrenschwand rühmte sich gegenüber Madame de Pompadour, die von seinen Aktivitäten informiert war, in einem Brief vom 29. August 1757, dass er die "religionnaires" "überall ermahnt [habe], in den Gefühlen der Unterwerfung und Treue, die sie dem König schulden, zu verharren, und ich habe eine Menge Briefe, die beweisen, dass mein Rat nicht ohne Frucht geblieben ist". In diesem Brief bittet Herrenschwand Madame de Pompadour um weitere Anweisungen und auch darum, von ihr empfangen zu werden, wohl um den oben skizzierten Vorschlag unterbreiten zu können. Sicherlich resultiert dieses Ersuchen auch aus der Mitteilung des Königs selbst, dass Nicolas René Berryer fortfahren solle, Herrenschwand die "correspondance des affaires des protestants dans mon royaume" auszuhändigen und vor allem auch die Aktivitäten des bereits erwähnten Pastors Paul Rabaut im Auge zu behalten.

 

Die Bemühungen Herrenschwands sollten scheitern, im vorliegenden Brief übermittelt Madame de Pompadour die Absicht des Königs, das großzügige "Geschenk" der Protestanten nicht anzunehmen. Schließlich schuf erst das von Ludwig XVI. 1787 erlassene "Toleranzedikt" eine neue Möglichkeit protestantischen Lebens in Frankreich.

 

 

Literaturauswahl: Lever, Evelyne, Madame de Pompadour. Paris 2021. - Hugues, Edmond, Un épisode de lhistoire du protestantisme au XVIIIe siècle, in: Bulletin historique et littéraire (Société de lHistoire du Protestantisme Français), Bd. 26, Nr. 8 (1877), S. 337-350. - Woodbridge, John, La conspiration du prince de Conti (1755-1757), in: Dix-huitième Siècle, N° 17, 1985. Le protestantisme français en France, S. 97-109.



Titel-Zusatz:
O. O. 14. X. 1757


Zustand:
Besch
Rahmen:
Auf Bütten mit dem Wasserzeichen des Vereinigten Königreiches, umgeben von der Devise "Honi soit qui mal y pense" und anhängenden Buchstaben VDL
Kommentar:
Die Verfasserin des Briefes: Zu den bekanntesten Gemälden der Alten Pinakothek in München zählt François Bouchers Bildnis der Madame de Pompadour, entstanden 1756, ein Jahr bevor der vorliegende Brief verfasst wurde. In dieser Rolle gefiel sich Madame de Pompadour besonders: Als Königin des Herzens Ludwigs XV., in ihrem Boudoir sitzend. Umgeben von jenen Objekten, die ihr Leben bei Hofe noch angenehmer machten: Bücher, Stiche, Notenblätter, die Korrespondenz auf einem kleinen Schreibtisch. Mimi, ihr Lieblingshund leistet ihr Gesellschaft. Das Wappen der Marquise erscheint auf verschiedenen Gegenständen und zeugt vom Stolz der Mätresse des Königs. Gekleidet ist sie wahrhaft königlich, der Stoff ihres aufwändigen Kleides changiert verführerisch. Kurz: Eine kluge, belesene, kunst- und musikbegeisterte Dame, die als eine der elegantesten Erscheinungen in Paris gilt! Aber diese Äußerlichkeiten sind nur ein Aspekt des Lebens der Pompadour: Auch als sie als Mätresse des Königs in die zweite Reihe treten musste, vertraute der König weiter auf ihren Rat, die Politik Frankreichs war ohne diese selbstbewusste Ratgeberin kaum denkbar. Jeanne-Antoinette Poisson wurde 1721 in Paris als Tochter eines wohlhabenden bürgerlichen Heereslieferanten geboren. Ihr leiblicher Vater hingegen soll ein reicher Bankier adeliger Herkunft gewesen sein: Charles François Paul Le Normant de Tournehem. Dieser sollte später auch die Vormundschaft über die junge Jeanne-Antoinette übernehmen und veranlasste wohl auch, dass sie in die Obhut des Ursulinenklosters von Poissy gegeben wurde. 1741 wurde Jeanne-Antoinette mit Charles-Guillaume Le Normant, Seigneur dÉtiolles (1717-1799), dem Neffen ihres Vormundes, verheiratet. Als 1744 Marie-Anne de Mailly-Nesle, Marquise de La Tournelle und Duchesse de Châteauroux, die Mätresse des Königs starb, konnte Jeanne-Antoinette ihren Plan umsetzen, jener in dieser Rolle nachzufolgen. Im Februar 1745 lernte Ludwig XV. sie kennen, er ernannte sie zu seiner offiziellen Mätresse (frz. maîtresse en titre), der ersten gebürtigen Bürgerlichen mit diesem Status, und erhob sie im Juli desselben Jahres auch zur Marquise de Pompadour mit Landsitz und eigenem Wappen. Im September 1745 wurde sie in Versailles der Hofgesellschaft vorgestellt. Bis 1751 dauerte der vertraute Verkehr mit dem König, ihre Stellung als offizielle Mätresse bewahrte sie jedoch bis zu ihrem Tod 1764. Dies ist auf ihr diplomatisches Geschick zurückzuführen: Sie versuchte, einvernehmlichen Kontakt mit der Königin zu pflegen, 1756 wurde sie zu deren Hofdame ernannt. Die Marquise de Pompadour war eine begabte Netzwerkerin. Zahlreiche Verbündete sicherten ihre Stellung bei Hofe ab, zudem gelang es ihr, den König nicht nur in intimer Hinsicht an sich zu binden. Bald schon machte sich auch ihr politischer Einfluss auf den König bemerkbar, erster Höhepunkt war 1749 die Entlassung des Staatssekretärs Jean-Frédéric Phélypeaux, Graf de Maurepas. Diese erreichte die Pompadour mit der (unzutreffenden) Beschuldigung, dass dieser sie vergiften wolle. Die Marquise nahm vor allem auch auf die auswärtige Politik Einfluss. So riet sie dem König im Siebenjährigen Krieg zum Bündnis mit Österreich gegen England und Preußen. Und die Pompadour war von starkem Willen: Nach der verlorenen Schlacht bei Roßbach wollte sie dennoch keinen Frieden schließen, da der Frieden den Ruin ihres politischen Lebenswerks bedeutet hätte. Ihre Reaktion: "Après nous le déluge" (deutsch: "Nach uns die Sintflut") ging auch im deutschsprachigen Raum in die Alltagssprache ein. Von ihrem Engagement auch hinsichtlich der Innenpolitik Ludwigs XV. zeugt der vorliegende Brief. Der Empfänger: Nicolas René Berryer, Comte de La Ferrière, war ein französischer Jurist und Politiker. Er wurde 1703 in Paris geboren und starb 1762 in Versailles. Als Freund von Madame de Pompadour ließ diese ihn zum "lieutenant général de police" ernennen, als sie Mätresse von Ludwig XV. wurde. Er bekleidete dieses Amt von Mai 1747 bis Oktober 1757. Um die Beziehungen zwischen dem König und seiner Favoritin zu schützen, richtete er ein "Schwarzes Kabinett" ein, um die der Post anvertraute Korrespondenz zu überwachen. Laut Alexis de Tocqueville war Berryer "ein harter, hochmütiger, grober Mann mit viel Unwissenheit und noch mehr Anmaßung und Eigensinn". Am 1. November 1758 wurde er, protegiert von Madame de Pompadour, zum Marineminister ernannt. 1761 ernannte ihn Ludwig XV., nachdem er Berryer als Minister ersetzen ließ, zum "garde des sceaux de France", dem Siegelbewahrer von Frankreich. Der "Spion": Der Schweizer Jean Frédéric Herrenschwand (1728 Murten - 1812 Paris) studierte 1751/52 in Göttingen die Rechte. Bereits im August 1752 ist er in Paris nachzuweisen. Dort war er zunächst Großrichter des Schweizergarderegiments unter dem Kriegsminister Etienne-François de Choiseuil , ab 1763 Schatzmeister desselben tätig. Nach dem Sturz Choiseuils 1770 widmtete er sich als Privatgelehrter in London und Paris ökonomischen Studien. Der historische Hintergrund: Die finanzielle Situation des Königreichs Frankreich war nach Beginn des Siebenjährigen Krieges äußerst angespannt. Man benötigte Geld! Und man lieh sich dieses allerorten. Dies brachte Jean Frédéric Herrenschwand, den Schweizer reformierten Glaubens, auf eine zündende Idee, von der - nach seiner Überzeugung - alle Beteiligten nur profitieren konnten. Die Situation der Protestanten in Frankreich war seit dem Edikt von Fontainebleau (1685) mehr als schwierig: Wer als Protestant erkennbar war, wurde mit Haft oder Galeerenstrafe belegt. Es entstand eine Kirche im Untergrund. Sogar ein Bürgerkrieg entflammte, Ludwig XIV. ließ daraufhin 400 Dörfer dem Erdboden gleichmachen. Viele Menschen konvertierten zwangsweise zum Katholizismus. Dennoch blieb der reformierte Glaube stark und die Protestanten gaben nicht auf, einen "modus vivendi" mit der allerkatholischsten Majestät zu suchen. Im Sommer 1755 traf Pastor Paul Rabaut heimlich mit dem Prince de Conti zusammen, um über Mittel und Wege zu sprechen, wie dieser die Lage der Protestanten in Frankreich verbessern könnte. Die Angelegenheit war mehr als delikat, denn Louis François de Bourbon, Prince de Conti (1717-1776) war der Cousin des französischen Königs! Als Contis politischer Einfluss auf Ludwig XV. jedoch zu schwinden begann, versuchte er im Frühjahr 1756, die Protestanten zu einem Aufstand gegen den König zu verleiten. 1757 bereiste Jean Frédéric Herrenschwand jene Gegenden in Frankreich, in welchen der Protestantismus besonders stark verbreitet war, in der Literatur wird Herrenschwand bisweilen als "Spion" bezeichnet. Aus seinen Berichten vermittelt sich ein eindringliches Bild von einer Kirche "im Untergrund", die sich dennoch starken Zulaufs erfreute. Im Gegensatz zu Conti befürwortete Herrenschwand jedoch keinen Aufstand, sondern fand eine raffinierte Lösung, wie die französischen Protestanten ihre Stellung verbessern könnten: Sie sollten dem König in seiner prekären finanziellen Situation mit einem Betrag von 20 bis 25 Millionen Livres helfen. Der Preis, den der König zahlen müsste: die offizielle Anerkennung der Protestanten! Herrenschwand rühmte sich gegenüber Madame de Pompadour, die von seinen Aktivitäten informiert war, in einem Brief vom 29. August 1757, dass er die "religionnaires" "überall ermahnt [habe], in den Gefühlen der Unterwerfung und Treue, die sie dem König schulden, zu verharren, und ich habe eine Menge Briefe, die beweisen, dass mein Rat nicht ohne Frucht geblieben ist". In diesem Brief bittet Herrenschwand Madame de Pompadour um weitere Anweisungen und auch darum, von ihr empfangen zu werden, wohl um den oben skizzierten Vorschlag unterbreiten zu können. Sicherlich resultiert dieses Ersuchen auch aus der Mitteilung des Königs selbst, dass Nicolas René Berryer fortfahren solle, Herrenschwand die "correspondance des affaires des protestants dans mon royaume" auszuhändigen und vor allem auch die Aktivitäten des bereits erwähnten Pastors Paul Rabaut im Auge zu behalten. Die Bemühungen Herrenschwands sollten scheitern, im vorliegenden Brief übermittelt Madame de Pompadour die Absicht des Königs, das großzügige "Geschenk" der Protestanten nicht anzunehmen. Schließlich schuf erst das von Ludwig XVI. 1787 erlassene "Toleranzedikt" eine neue Möglichkeit protestantischen Lebens in Frankreich. Literaturauswahl: Lever, Evelyne, Madame de Pompadour. Paris 2021. - Hugues, Edmond, Un épisode de lhistoire du protestantisme au XVIIIe siècle, in: Bulletin historique et littéraire (Société de lHistoire du Protestantisme Français), Bd. 26, Nr. 8 (1877), S. 337-350. - Woodbridge, John, La conspiration du prince de Conti (1755-1757), in: Dix-huitième Siècle, N° 17, 1985. Le protestantisme français en France, S. 97-109.