Hermann Max Pechstein - Keitelkähne. 1920

Auktion 403, Kat.-Nr. 516

Moderne Kunst

am 2. Dezember 2021 ab 17:30 Uhr

Hermann Max Pechstein

Keitelkähne. 1920

Schätzpreis:
€ 250.000 bis € 270.000

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Ergebnis:
€ 195.000 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

Beschreibung:

Hermann Max Pechstein

1881 Zwickau - 1955 Berlin

 

Keitelkähne. 1920

 

 

Rechts oben monogrammiert und datiert "HMP 1920". Auf dem rückseitigen Gemälde signiert "HPM Pechstein", betitelt "Keitelkähne", und datiert "1920" und mit der Werksnummer "4" im Kreis. Verso: Frank mit Kindermädchen Anna Gärtner. Um 1920. Öl auf Leinwand. 70,5 x 80 cm. Das Gemälde ist in einem sehr guten Zustand. Rahmen.

 

Provenienz:

Privatsammlung Berlin (Anfang der 20er Jahre: Geschenk des Künstlers 80er Jahre)

Schuler Auktionen, Zürich, 18.6.1999, Nr. 2932

Privatsammlung Süddeutschland

 

Das Gemälde befand sich wohl bis Ende der 80er Jahre im Besitz der Familie des ehemaligen Hausarztes und Nachbarn von Max Pechstein. Die Witwe des Arztes erinnerte sich, daß der Künstler zuerst das Porträt [1925/5v] schenkte. Da das Sujet nicht allzu sehr gefiel, bemalte er später die Leinwandrückseite mit den Keitelkähnen.

 

Anmerkung: Es handelt sich um den Ort Nidden. Eintrag im Werkstattbuch: 4) Keitelkähne 70 x 80

 

"Hier ist Arbeit, Freude, Wut, Sturm. Leinwände reichen nicht aus, Hände auch nicht", schreibt Max Pechstein im September 1919 aus Nidden an seine Freunde. In dem kleinen Fischerort an der Kurischen Nehrung im ehemaligen Ostpreußen malt der Expressionist zahllose Bilder: Wege in den Dünen, Mittag im Haff, Strand an der Kurischen Nehrung, Spiegelungen, Fischerboote in Nidden und Kutter im Sturm.

 

Ahrenshoop, Worpswede und eben auch das Dörfchen Nidden, das heutige Nida in Litauen: Künstlerkolonien haben in Deutschland Tradition. In freier Natur traf man sich dort in unverdorbener, freier Natur und ländlicher Idylle zum Arbeiten, Gedankenaustausch und Feiern. Gerne führten die Stadtfluchten ans Meer, denn da fegte die frische Brise störende Gedanken aus dem Hirn. Kein Wunder also, dass Nidden, die älteste Künstlerkolonie der Ostseeküste, um die Jahrhundertwende zum bevorzugten Ferien- und Schaffensort für deutsche Künstler und Intellektuelle wird. Als perfektes Hideaway für ausgebrannte Städter was das einsame, von Dünen umgebene Nidden geradezu perfekt.

 

Literaten entdeckten den abgelegenen Fischerort in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für sich, fasziniert von der Landschaft und dem Lebensrhythmus der Fischer. Später gesellten sich andere Künstler hinzu. Schüler und Lehrer der Königsberger Kunstakademie fanden hier Inspiration, aber auch namhafte auswärtige Künstler schätzten den Ort und die umliegende Landschaft als Inspirationsquelle. Mit von der Partie war unter anderem Lovis Corinth (1858-1925), den es während seiner Studienzeit an der Akademie auf die Kurische Nehrung zog, wo er unter anderem den Friedhof von Nidden malte.

 

Anfang des 20. Jahrhunderts kamen sie dann alle: Schauspieler und Schriftsteller, Maler, Literaten, Fotografen und Komponisten entdeckten Nidden als Ruheort und Quelle der Inspiration. Bevorzugt quartierte sich die illustre Gesellschaft im Gasthaus von Hermann Blode ein, hörte Gedichte und Musik, diskutierte auf der Veranda beim Schein kleiner Petroleumlämpchen bis in die tiefe Nacht. Vertreter verschiedenster Stilrichtungen bildeten den Niddener Kreis, von Realisten, Symbolisten und Naturalisten bis hin zu Im- und Expressionisten war alles dabei. Und man kann sich vorstellen, wie heiß es bei den Gesprächen an der Ostsee herging - Gespräche, die bereicherten und sich immer auch auf die künstlerische Entwicklung der Beteiligten auswirken sollten.

 

Insbesondere durch die Maler der Kunstvereinigung "Brücke" machte sich Nidden einen Namen. Max Pechstein (1881-1955) kam mehrmals und Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) besuchte Nidden 1913, als es die Brücke schon nicht mehr gab. Nach dem Ersten Weltkrieg bildeten Schüler der Königsberger Kunstakademie dann die nächste Generation des Niddener Kreises. Aber vor allem dem deutschen Landschaftsmaler Ernst Mollenhauer (1892-1963) war es schließlich zu verdanken, dass die Kolonie in den 1920er und 30er Jahren eine erneute Blütezeit erlebte. "Es war eine Malerlandschaft mit Licht und Raum und Wasser und Sonne. [...] Nidden war der Treffpunkt für Künstler und alle, die nach dem Erleben der un- berührten Natur suchten und jede Art von Trubel verachteten", schrieb er über sein Malerparadies. Einige Künstler ließen sich in dieser Zeit in Nidden sogar Sommerhäuser im einheimischen Stil bauen, unter ihnen auch Thomas Mann. Mit dem Zweiten Weltkrieg kam das endgültige Aus für die Künstlerkolonie, die für die Entwicklungen des deutschen Expressionismus eine so bedeutende Rolle gespielt hatte. Was bleibt, sind Erinnerungsbilder.

 

MAX PECHSTEIN zog zum ersten Mal im Sommer 1909 nach Nidden. Es waren die Landschaftsbilder von Ernst Bischoff-Culm (1870-1917), die ihn im gleichen Jahr in einer Ausstellung in Berlin neugierig gemacht hatten. Später sollte er bis 1939 noch fünf Sommer in Nidden verbringen, für den Künstler eine Zeit der Leichtigkeit und Harmonie, in der zahlreiche seiner expressionistischen Bilder entstanden - so auch das Ölgemälde "Keitelkähne" (1920), das im Dezember bei NEUMEISTER aufgerufen wird.

 

Werkverzeichnis: Aya Soik 1920/5 und Aya Soik 1920/5v

 

Alexander Pechstein hat die Authentizität des Werkes mündlich bestätigt

 

Wir danken Herrn Alexander Pechstein für die wissenschaftliche Unterstützung bei der Bearbeitung



Signatur-Bez-Vorne:
Rechts oben monogrammiert und datiert "HMP 1920"
Signatur-Bez-Recto:
Auf dem rückseitigen Gemälde signiert "HPM Pechstein", betitelt "Keitelkähne", und datiert "1920" und mit der Werksnummer "4" im Kreis. Verso: Frank mit Kindermädchen Anna Gärtner. Um 1920
Technik:
Öl
Träger:
auf Leinwand
Maße:
70,5 x 80 cm
Zustand:
Das Gemälde ist in einem sehr guten Zustand
Rahmen:
Rahmen
Werkverzeichnis:
Aya Soik 1920/5 und Aya Soik 1920/5v
Echtheit:
Alexander Pechstein hat die Authentizität des Werkes mündlich bestätigt
Danksagung:
Wir danken Herrn Alexander Pechstein für die wissenschaftliche Unterstützung bei der Bearbeitung