Erich Heckel - "Paar". 1910

Auktion 56, Kat.-Nr. 223

MODERNE KUNST 56

am 4. Dezember 2014

Erich Heckel

"Paar". 1910

Schätzpreis:
€ 100.000 bis € 150.000

Ergebnis:
€ 173.990 (inkl. 27 % Käuferaufgeld)

Beschreibung:

Heckel, Erich

1883 Döbeln/Sachsen - 1970 Rudolfzell

 

"Paar". 1910

 

Farbholzschnitt auf unregelmäßigem, gelbem glatten Papier. Druck vom zersägten und in Teilen eingefärbtem Stock

27,5 x 35,9 cm (31 x 43,2 cm)

 

Rechts unten mit Bleistift signiert und datiert "Erich Heckel 1910". Mittig am Unterrand betitelt "Paar". Verso (wohl vom Sammler A. Hess) mit Bleistift bezeichnet "565 Umarmung" sowie nummeriert "9".

 

Provenienz: Verso mit dem grünen Sammlerstempel (Lugt 2796 a) von Alfred Hess, Erfurt (1879 - 1932)

 

Wichtige ausdruckstarke Graphik Erich Heckels aus der Dresdner Brücke-Zeit. Das Blatt ist von größter Seltenheit, da es wohl nur in wenigen Exemplaren gedruckt wurde. Dube beschreibt Abzüge auf gelbem bzw. weißem Papier. Nur eines dieser Exemplare wurde jemals im Kunsthandel versteigert. Die monotypieartige Einfärbung der Holzstöcke, der reiche Farbauftrag mit den Ausfettungen auf der Rückseite und den Atelierspuren auf den Rändern des unregelmäßigen Blattes machen aus diesem Handdruck ein Unikat.

Heckel lernte seine Frau, die Tänzerin Sidi Riha, 1910 kennen. Die auf dem Blatt

Dargestellte ist unschwer als Sidi zu erkennen, ist sie doch in dieser Zeit sein wichtigstes Modell und taucht in zahlreichen Druckgraphiken Aquarellen und Zeichnungen auf.

 

Die Sammlung von Alfred Hess, leicht zu erkennen an dem unverwechselbaren Sammlerstempel, dem grünen Löwen auf der Rückseite des Blattes, umfasste ca. 4000 Zeichnungen, Aquarelle und Druckgraphik. Viele dieser Werke waren von "Bauhaus- und "Brücke"-Künstlern, wie Feininger, Kirchner, Schmidt-Rottluff und Heckel. In der Villa des Erfurter Schuhfabrikanten ging ein großer Teil der künstlerischen Avantgarde der Zwanzigerjahre ein und aus, bis die Politik der Nationalsozialisten dem ein jähes Ende bereitete. Zahlreiche Werke aus der Sammlung Hess wurden in alle Welt zerstreut oder gingen unwiederbringlich verloren (siehe Lugt Seite 399)t bei der Durchsetzung des Expressionismus seitens der Mitglieder der Dresdner Künstlergruppe "Die Brücke" spielte, zu deren Kern Ernst Heckel neben Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff in den Jahren von 1905 bis 1913 gehörte. Deutlicher als bei den Gemälden zeigen sich hier die radikal neuen Stilmittel - extreme Flächigkeit, Verzicht auf Details und Verwendung leuchtender Farben. Die graphische Technik des Holzschnitts mit ihrer Beschränkung auf das Wesentliche sowie die Betonung der schwarzen Konturlinien erwies sich als besonders geeignet zur Steigerung der Ausdruckskraft.

 

Ernst Heckels Darstellung eines Liebespaars markiert mit ihrer Entstehungszeit 1910 den Höhepunkt einer Entwicklung zur Abstraktion, die den reifen "Brücke-Stil" kennzeichnet. Es geht dem Künstler nicht um eine geschönte Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern vielmehr um die Schilderung eines "gesteigerten Lebensgefühls" in der unmittelbaren seelischen Erfahrung. Das Motiv der auf dem Diwan sitzenden nackten Frau in inniger Umarmung mit ihrem Liebhaber scheint von eigenem Erleben geprägt - möglicherweise mit der Tänzerin Siddi Riha, welche er im Jahr 1910 kennenlernt und 1915 heiratet.

 

Die einzigartige Ausdruckskraft des Holzschnitts resultiert jedoch aus dem - absichtlichen oder zufälligen? - Zusammenspiel von Bild und Technik. Die vom Einfluss der primitiven Kunst geprägte Darstellung korrespondiert mit der betont rohen Gestaltung. Die Zusammenfügung von zwei Teilen zu einem Holzstock, erkennbar an der senkrecht durch das Blatt verlaufenden Schnittlinie, der fleckige Farbauftrag im Schwarz-Rot-Kontrast und die brüchige Zeichnung lassen die körperliche und seelische Vereinigung des Paars umso deutlicher und kostbarer erscheinen.

 

 

 



Signatur-Bez-Vorne:
Rechts unten mit Bleistift signiert und datiert "Erich Heckel 1910". Mittig am Unterrand betitelt "Paar"
Signatur-Bez-Recto:
Verso (wohl vom Sammler A. Hess) mit Bleistift bezeichnet "565 Umarmung" sowie nummeriert "9"
Technik:
Farbholzschnitt
Träger:
auf unregelmäßigem, gelben, glatten Papier. Druck vom zersägten und in Teilen eingefärbtem Stock
Provenienz:
Verso mit dem grünen Sammlerstempel (Lugt 2796 a) von Alfred Hess, Erfurt (1879 - 1932)