Adolf Wichmann - Gem. Wichmann A.
Pietro Aretino im venezianischen Garten

auction 361, Lot 617

ALTE KUNST 361

on 18 September 2013

Adolf Wichmann

Gem. Wichmann A.
Pietro Aretino im venezianischen Garten

estimate:
€ 25.000 to € 30.000

result:
€ 33.020 (incl. 27 % buyer's premium)

description:

Wichmann, Adolf 1820 Celle - 1866 Dresden

Pietro Aretino liest im Garten Tizians aus seinen Werken vor

Im Baumschatten hat sich eine Gesellschaft von Männern in Begleitung zahlreicher junger Damen um den Vortragenden versammelt. Im Hintergrund die Silhouette Venedigs. Rechts sitzt Tizian in Belgeitung einer weiß gekleideten jungen Frau, links hinter ihm Jacopo Sansovino. L. u. signiert. Auf dem Keilrahmen wohl eigenhändig bezeichnet und 1865 datiert sowie Adressangabe Dresden, Friedrichstr. 51. Ebda. Klebeetikett mit Nummerierung 267. Öl auf Lwd. 89 x 124,5 cm. Doubliert. Rest. - Rahmen min. besch.Provenienz: Kunstauktionshaus Schloss Ahlden, Auktion 4. Mai 1991, Kat.-Nr. 1657. - Süddeutsche Privatsammlung.Adolf Wichmann studierte seit 1838 an der Dresdener Akadamie bei Eduard Bendemann. Er arbeitete lange Jahre in dessen Atelier, unterbrochen von einem Aufenthalt in Italien (1847-1852), wo er in Venedig und Rom lebte und wirkte. Seit 1852 war er wieder in Dresden ansässig. Wichmann widemte sich als Historien- und Genremaler sowohl religiösen wie auch profanen Themen. Julius Schnorr von Carolsfeld, der Adolf Wichmann schätzte, förderte diesen und vermittelte u. a. ein Gemälde "Dame in venetianischem Kostüm" an König Ludwig I. von Bayern.Der italienische Dichter und Schriftsteller Pietro Aretino (1492 Arezzo - 1556 Venedig) gilt als "enfant terrible" seiner Zeit. Er war berüchtigt wegen der von ihm verbreiteten kompromittierenden Anekdoten und Spottverse ("Pasquinate"). 1525 wurde in diesem Zusammenhang in Rom sogar ein Mordanschlag auf ihn verübt. Nach Aufenthalten in Rom, Florenz und Mantua ließ sich Pietro Aretino 1525 in Venedig nieder, wo er in engem Kontakt mit Künstlern wie Tizian und Sansovino stand und einem luxuriösen Lebensstil frönte. Er konnte sich darüber hinaus der Protektion durch den Dogen Andrea Gritti erfreuen.Als Schriftsteller schuf er neben religiösen Erbauungsbüchern erotische Sonette ("sonnetti lussoriosi"), auch als Verfasser geistreicher und das kulturelle Leben Italiens in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts beleuchtender Briefe wird er gerühmt. Seit 1538 erschienen Sammlungen dieser Briefe in gedruckter Form.Zu Pietro Aretinos noch heute bekanntesten Publikationen zählen die "Ragionamenti" (1534/36). In drastischen Worten werden darin drei Möglichkeiten für eine Frau erörtert, ihr Leben zu führen: als Nonne, Ehefrau oder Prostituierte (Kurtisane) mit dem Fazit, das die Lebenswelt der Kurtisane den beiden anderen Optionen vorzuziehen sei. Nur hier ergäbe sich für eine Frau die beste Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.Vor diesem Hintergrund ist auch das vorliegende Gemälde Adolf Wichmanns zu verstehen: Im, auf einer Insel bei Venedig liegenden, schattigen Garten Tizians liest Pietro Aretino nicht nur seinen Freunden, darunter dem "Hausherrn" und Jacopo Sansovino aus seinen Werken (möglicherweise den "Ragionamenti") vor. Ebenso lauscht eine große Anzahl reich gekleideter junger Frauen konzentriert und versonnen seinen Ausführungen. Diese sind als Vertreterinnen der elegantesten und belesensten Kurtisanen der Serinissima zu interpretieren. Zu den namentlich überlieferten und bekanntesten jener intellektuellen Prostituierten Venedigs (den "cortigiane oneste") zählten zu Aretinos Zeiten Gaspara Stampa und Veronica Franco. Es erschließt sich nun auch Wichmanns motivisches Zitat aus einem der berühmtesten Gemälde Tizians, dessen "Himmlischer und Irdischer Liebe" (Rom, Galleria Borghese): Die neben Tizian dargestellte junge Frau in weißem Kleid spielt sowohl bezüglich ihrer Kleidung wie auch ihrer Physiognomie auf die Irdische Liebe an, deutlich spannt sich der gedankliche Bogen zur Welt der venezianischen Kurtisanen.Vgl. Boetticher, Friedrich von, Malerwerke des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. II, 2. Leipzig 1941 (Reprint), S. 1011 f., Nr. 13 "Pietro Aretino liest einer Gesellschaft im Garten Tizians zu Venedig aus seinen Werken vor": eine an die Dresdener Galerie gestiftete, größere Fassung des Themas, ebenfalls aus dem Jahre 1865. Dieses Gemälde gilt seit dem 2. Weltkrieg als verschollen.