Paul Klee - "Garten". 1918

auction 55, Lot 323

MODERNE KUNST 55

on 5 June 2014

Paul Klee

"Garten". 1918

estimate:
€ 400.000 to € 450.000

result:
€ 508.000 (incl. 27 % buyer's premium)

description:

Klee, Paul

1879 Münchenbuchsee bei Bern - 1940 Muralto

 

"Garten". 1918

 

Aquarell und Tempera (" auf Gouacheblau") auf Kupferdruckpapier. Am Ober- und Unterrand mit ca. 0,5 cm breiter und strukturierter Goldfolie unterlegt. Zusammen auf bräunlichem Karton vollflächig montiert.

26,2 x 12,2 cm

 

Links oben in der Darstellung mit Feder signiert " Klee". Auf dem Unterlagekarton links unten datiert "1918" und mit der Werknummer "57". Rechts unten betitelt "Garten". Verso am oberen Blattrand wohl von fremder Hand mit Bleistift "1918/57 Garten" und der Adressangabe "Hr. Dr. Mayr Georg. 20". Gebräunt und mit Lichtrand. Der historische Rahmen kann gesondert erworben werden. Rahmen Murrer, München.

 

Werkverzeichnis: Paul Klee Stiftung, Kunstmuseum Bern (Hrsg.) Catalogue Raisonné, Bd. 2, 1913 -1918, Bern 2000, Nr. 1904 (ohne Abb.)

 

Echtheitsbestätigung: Dr. Michael Baumgartner. Zentrum Paul Klee, Bern 1. April 2014

 

Provenienz: Von Paul Klee an die Kunsthandlung Hans Goltz, München Okt.- Dez. 1919 laut handschriftlichem Oeuvre-Katalog des Künstlers verkauft. Sammlung Emanuel Hoffmann, Basel Privatbesitz Süddeutschl

 

Ausstellungen:

Neue Kunst. Expressionisten, Kubisten, Futuristen. Kunstsalon Rembrandt, Zürich, August 1919a , Nr. 34

Herbstschau Neuer Kunst. Der Sturm und Üecht-Gruppe. Kunstgebäude am Schlossplatz, Stuttgart 1919, Nr. 78

Gedächtnisausstellung, Sammlung E. Hoffmann, Kunsthalle Basel 1932, Nr. 60,

dort betitelt mit "Garten 1918"

Die Maler am Bauhaus. Haus der Kunst, München. Mai -Juni 1950

 

Literatur: Werner Haftmann. Malerei im 20. Jahrhundert. München 1955

Ludwig Grote (Hrsg.), Erinnerungen an Paul Klee. München 1959

Felix Klee. Paul Klee. Leben und Werk in Dokumenten, ausgewählt an den nachgelassenen Aufzeichnungen und den unveröffentlichten Briefen. Zürich 1960

Sabine Rewald. Paul Klee. The Berggruen Collection in The Metropolitan Museum of Art. New York 1988

Katrin Lochmaier. Der Kunsthändler Hans Goltz - ein "revolutionärer Konservativer". In: Ausst. Kat. München 1993/94a S. 61-72

 

Zertifikat des Art Loss Register vom 10. April 2014 vorliegend.

In Kunsthandelsdatenbanken und Auktionskatalogen der 1930er und 40er Jahre ist das Bild "Garten, 1918/57" nicht nachweisbar. Den einschlägigen Datenbanken zur Provenienzforschung sind keine weiteren Hinweise zu entnehmen.

 

 

Die Paul Klee Stiftung wurde nach dem Tode des Künstlers (1940) und seiner Frau Lilly 1946 von der Klee Gesellschaft in Bern gegründet. Das Stiftungsgut wurde 1952 im Kunstmuseum Bern deponiert. Neben der weltweit umfangreichsten Sammlung von Werken gehören dazu auch der Oeuvre Katalog, der Pädagogische Nachlass sowie die Tagebücher und Gedichte Klees.

Der handschriftliche Katalog von Paul Klee dient als Basis für die Katalogisierung seines gesamten Schaffens. Jedes in dieser Liste verzeichnete Werk erhielt von Klee eine Nummer sowie einen Titel.

Den Werktiteln kommt bei Klee eine besondere Bedeutung zu. Die meisten der registrierten Werke tragen einen Titel. Titelfindung und -setzung ist ein dynamischer Vorgang. Die Mehrzahl der registrierten Arbeiten, die zwischen 1913 und 1918 entstanden sind, tragen von Klee selbstgewählte Titel.

Fast alle Arbeiten auf Papier wurde von Paul Klee selbst auf Karton geklebt und teilweise dort auch bezeichnet. Die Montierungen wurden erst nach Fertigstellung des Werkes vorgenommen und markieren deshalb den Abschluss des Werkprozesses. Dabei lassen sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Verfahren erkennen: die punktuelle und die sehr seltene vollflächige Verklebung, die hier bei der Arbeit "Garten 1918" verwendet wurde. Der Großteil der Werke wurde von Klee auf der Vorderseite mit Feder oder im Malmedium signiert.

 

Obwohl die berühmte Tunisreise, die Paul Klee 1914 mit August Macke und Louis Moilliet unternahm, nur zwölf Tage dauerte, schreibt man ihr bahnbrechende Bedeutung für die Kunstgeschichte zu. Durch die Begegnung mit der orientalischen Kultur und der exotischen Natur fand der Künstler, der 1911 den "Blauen Reiter" mitbegründet und sich jahrelang vor allem in der Zeichnung ausgedrückt hatte, zur Farbe: "Die Farbe hat mich. Ich bin Maler." Noch nachhaltiger wirkte sich die Reise im Hinblick auf die Entwicklung der Abstraktion aus. Klee fand zu einer Art "Quadratstil", einem aus rechteckigen Flächen gewebten, transparenten Bildteppich, in den einzelne Figuren eingefügt sind. Der Maler gelangte zur Erkenntnis: "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar" - jene These, mit der er seinen 1918 veröffentlichten Aufsatz "Schöpferische Konfessionen" einleitete. Die Tunisreise war also das Schlüsselerlebnis, das Klee zu einem der größten Maler der Moderne machte.

 

Das 1918 entstandene Aquarell "Garten" zählt zur Reihe jener sieben Bilder, die von den sonnendurchfluteten Gärten der Europäerkolonie St. Germain bei Tunis inspiriert sind, wo die Künstler den befreundeten Schweizer Arzt Ernst Jäggi besucht hatten. Während zwei der thematisch und formal ähnlichen Bilder Klees vor Ort entstanden, schuf er die restlichen fünf nach seiner Rückkehr nach Deutschland, ja zum Teil sogar noch Jahre später aus der Erinnerung und im Vertrauen darauf: "Der Klang geht tief und wird bleiben, auch ohne Malen an Ort und Stelle." Zu ihnen zählt das vorliegende Aquarell. Anders als die anderen Arbeiten der Reihe ist es nicht in den Farben des Südens gehalten und weist auch nicht das Rechteckmuster auf. Stattdessen öffnet sich im verschwommenen Blau des Grundes der unendliche Raum eines Tagtraums, in dem die Erinnerung an die südlichen Nächte auflebt. Einzelne schwarz und weiß akzentuierte Formen - die Gestirne am Himmel, mehrere Tempelschreine, eine ionische Säule, Häuser, Treppen und Bäume - rufen Assoziationen an einen Tempelberg wach, wie Klee ihn in Tunis oder Kairouan gefunden haben mag (vgl. Landschaft mit schwarzen Säulen, 1919 und Tempelgärten, 1920).

 

Die Intensität der Vision vermittelt sich umso stärker vor dem Hintergrund, dass der vierzigjährige Paul Klee das Bild während des Ersten Weltkriegs malte, als er als Schreiber in der Kasernenverwaltung der Fliegerschule in Gersthofen bei Augsburg tätig war. Unberührt vom eigentlichen Kriegsgeschehen war es ihm dort vergönnt, seiner Kunst nachzugehen, sodass das Jahr 1918 als äußerst produktives, ja kommerziell erfolgreiches Jahr gelten kann, zumal sein Münchner Kunsthändler Hans Goltz einzelne Werke gut verkaufen konnte und sich allmählich behutsam der Erfolg einstellte, der ihm 1920 den Ruf als Lehrer ans Bauhaus eintrug.

 

Errata: Das Werk "Garten", 1918, 57 wurde nicht wie im Katalog erwähnt, in der Ausstellung in Baswl 1932 gezeigt.