FREI RAUM

 


Die Münchner Kunstakademie bietet jungen Künstler*innen viel Raum für Kreativität und nimmt ihnen die Angst vorm Verkaufen. 

 

 

Diplom- / Jahresausstellung 2022. Klasse Gregor Hildebrandt: Big Sandwich. Foto: Stephanie Rössing


 

 


WILLKOMMEN IM VERSUCHSLABOR


 

 

Wenn ich einen Sohn hätte, der Maler werden möchte, würde ich ihn nicht einen Augenblick in Spanien festhalten, und glauben Sie nicht, dass ich ihn nach Paris schicken würde … sondern nach München“, so Pablo Picasso 1897, als er selbst in Madrid studierte, in einem Brief an einen Freund. Was zog und zieht Künstler*innen zur Akademie der Bildenden Künste nach München? Picasso liefert die Antwort in erwähntem Brief selbst: In München lerne man ohne Rücksicht auf dogmatische Begriffe wie Pointillismus und dergleichen malen. Der Schlüsselbegriff lautet: Freiheit.

Freiheit sei eine grundlegende Bedingung für das „Hervorbringen“ von Kunst, formulierte der Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling in seiner Rede „Ueber das Verhältniß der bildenden Künste zu der Natur“, die er zum Namenstag des bayerischen Königs Max I. Joseph am 12. Oktober 1807 hielt, und die als programmatische Gründungsrede der Akademie der Bildenden Künste München gilt. In der Konstitutionsurkunde des am 13. Mai 1808 gegründeten Instituts – die wahrscheinlich aus Schellings Feder stammt – wird das näher ausgeführt: „Wir wollen den Unterricht … durch keinen bestimmten Lehrplan bedingen; vielmehr wollen Wir, daß ihm ganz die Freiheit und Lebendigkeit erhalten werde, die besonders bei der Kunst so nothwendig und wesentlich ist. Der Lehrer soll daher keinen gleichförmigen Mechanismus aufkommen, sondern vielmehr dem Zöglinge so viel wie möglich Freiheit lassen, … die Eigenheiten seiner Ansicht der Gegenstände … zu zeigen. Außerdem solle der Studierende vom Handwerklichen stufenweise zum Geistigen geführt werden, damit man keine Halbkünstler heranbilde.“

Diplom-/ Jahresausstellung 2022.

Arbeit von Lugh Wittig.
Foto: Stephanie Rössing


 

 

14 | Debütant*innen zu Gast im Museum Villa Stuck.
Arbeiten von Julia Emslander, Andrei Hâncu, Riccardo Rudi und Simona Andrioletti,
Milen Till, Shirin Zeraaty.

Foto: Mara Pollak

Was am 13. Mai 1808 gesagt wurde, gilt bis heute. Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Studierenden sind in der DNA der Münchner Akademie verankert. Es gibt keinen allgemeinen Lehrplan, vielmehr steht die Förderung der „herausragenden künstlerischen Begabung nach individuellen Interessen“ im Mittelpunkt. Doch so ganz ohne Regelwerk kommt die Akademie der Bildenden Künste dann doch nicht aus. So ist das Studium in Klassenverbänden organisiert. Insgesamt sind es 24 dieser (Meister-) Klassen, geleitet von Professorinnen und Professoren, die für einen jeweils individuellen Zugang zur bildenden Kunst stehen. Ein einziger Lehrender unterrichtet die ganze Klasse über Jahre hinweg. Das mag altmodisch anmuten, gewährleistet aber eine dauerhafte individuelle Betreuung der Studierenden.

Basierend auf drei Säulen – künstlerische Kritik, handwerklich-technisches Lernen und geschichtlichtheoretische Orientierung – wird das Angebot über die Meisterklassen hinaus an der Akademie durch über 60 Lehraufträge erweitert. Ziel ist es, den Studierenden künstlerische Orientierung und Entwicklung auf einer sehr vielseitigen und herausfordernden Basis zu bieten. In der Freien Kunst bilden Malerei und Graphik sowie Bildhauerei die Schwerpunkte der Lehre. Hinzu kommen Klassen für Fotografie, Medienkunst, Keramik und Glas, Schmuck sowie Bühnenbild und Bühnenkostüm. Der Studiengang Innenarchitektur (BA/MA) umfasst drei Lehrstühle für Entwurf und Raum, Entwurf und Produkt, Entwurf und Darstellung. Zudem bietet die Akademie zwei Masterstudiengänge an, Architektur und Kunst sowie Bildnerisches Gestalten und Therapie. In eigenen Klassen für Kunstpädagogik werden – mit der Nürnberger Akademie – Gymnasiallehrer*innen ausgebildet.

Das besondere Profil der Münchner Kunstakademie wird nicht zuletzt von den 21 hervorragend ausgestatteten Studienwerkstätten geprägt, die – wie die Meisterklassen – ebenfalls von hochqualifizierten Künstler*innen geleitet werden. Neben den klassischen Werk-, Druck- und Formtechniken kann dort mit neuen und unkonventionellen Materialien gearbeitet und experimentiert werden. Unlängst wurde die bereits sehr gute Ausstattung durch die Gründung einer neuen 3D-Werkstatt nochmals verbessert. Die Vereinigung von hoher und angewandter Kunst, gegen die man sich an der Akademie vor hundert Jahren noch mit allen Mitteln gewehrt hatte, ist heute gelebter Alltag.

„Die Akademie der Bildenden Künste München versteht sich als Versuchslabor für Lösungen jenseits aller Konvention. Sie steht strukturell zwischen der Tradition, die sie zu verwalten hat, dem Kunstmarkt und dem Versuch des Einzelnen, seine Gestalt geben - den Kräfte für ein geglücktes Leben zu mobilisieren,“ lässt die Akademie auf ihrer Website wissen. Stichwort „Kunstmarkt“. Wer am Ende als Künstler*in tätig sein will, muss auch von der Kunst leben können, doch Nachdenken über Vermarktung von Kunst war an der Akademie lange verpönt und schon gar nicht vorrangiges Ziel der Ausbildung. Mittlerweile unter - nimmt man einiges, um Studierende auf den Markt vorzubereiten, der ihnen ein Auskommen ermöglicht. Sie haben nunmehr zahlreiche Möglichkeiten, mit dem Markt theoretisch und praktisch Bekanntschaft zu machen. Teils entfalten die Professor*innen eigene Aktivitäten und realisieren zum Beispiel Ausstel - lungen und Veranstaltungen mit den Studierenden oder Klassen.

Jahresausstellung 2022.
Yul Zeser, Sebastian
Quast: OVERDRIVE.
Foto: Stephanie Rössing

 

In vielen Ausstellungsprojekten der Klassen können Studierende das Präsentieren ihrer Arbeiten erproben. Bereits 1989 wurde mit der Gründung der AkademieGalerie im Sperrengeschoss der U-BahnStation „Universität“ eine kontinuierliche Möglichkeit geschaffen, aktuelle Arbeiten von Studierenden vor - zustellen. Der ungewöhnliche und auf voller Länge einsehbare Präsentationsort hat sich durch die Qualität der Ausstellungen einen Platz in der Kunstszene der Stadt gesichert.

Höhepunkt des akademischen Jahres ist zum Ende jedes Sommersemesters die Jahresausstellung. Studierende gehen dabei mit ihren Werken an die Öffentlichkeit, führen Gespräche mit Kunstsammler*innen und finden über Galerist*innen den Zugang zum Markt. Ein weiteres Highlight ist auch die Diplomausstellung der Akademie am Ende des Wintersemesters, bei der Absolvent*innen für eine Woche ihre Abschlussarbeiten präsentieren. Wie es sich anfühlt, wenn fremde Menschen deine Kunst kaufen möchten, erfahren Studierende bei der jährlichen Akademieauktion. Dieses Event, das für junge Künstler*innen eine wichtige Veranstal - tung ist, um in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden, wird seit 1990 vom Akademieverein organisiert und durch Katrin Stoll, Geschäftsführende Gesellschafterin bei NEUMEISTER, und dem Münchner Galeristen Bernhard Wittenbrink geleitet. 

 

Studienwerkstatt für Steinbildhauerei, Leitung Daniel Bräg: Ein Studierender arbeitet vor der Werkstatt an einem Stein.
Foto: Daniel Bräg

„Für das Schönste, das wir haben und um das uns viele beneiden, halte ich unsere alljährliche Auktion. Sie öffnet den kauflustigen und interessierten Bürgern die Hochschule. Die Studenten erleben zum ersten Mal, dass völlig fremde Menschen bereit sind, Geld für ihre Werke auszugeben. Wir konnten die Auktion in den vergangenen 23 Jahren immer mehr verbes - sern und professionalisieren – und sie vor allem tief im Bewusstsein der kunstinteressierten Münchner verankern“, formuliert Gile Haindl-Steiner, ehemalige Vorsitzende des Akademievereins und des Stiftungs - rats der Steiner-Stiftung München und Initiatorin der Akademieauktion. Bei jeder Auktion werden ca. 100 Werke von Studierenden der Akademie sowie von ihren Profes - sor*innen gestiftete Arbeiten zu Aufrufpreisen ab 100 Euro versteigert. 50 Prozent des Erlöses gehen direkt an die Künstler*innen. Mit den anderen 50 Prozent finanziert der Akademieverein gezielt Preise, Projekte und Stipendien für die Studierenden an der Kunstakademie. Allein die 30. Auktion im letzten Jahr brachte einen Erlös in Höhe von 150.000 Euro ein. Ein Füllhorn, das für junge Künstler*innen vieles möglich macht (kjk). 

 

  • AKADEMIEVEREIN
  • ➝ Der Akademieverein fördert nunmehr seit fast 40 Jahren junge Kunst an der Akademie der Bildenden Künste.
  • ➝ Seit 2006 werden Atelierstipendien vergeben. Während der Corona-Pandemie konnten zigtausende Euro für das Notstipendium der Akademie gesammelt
  • werden. Unzählige Notstipendien wurden an bedürftige Studierende ausgezahlt.
  • ➝ Seit 2008 verleiht der Akademieverein Preise zur Diplom- und Jahresausstellung.
  • ➝ Ein Höhepunkt der Arbeit des Akademievereins ist die Auktion, bei der Werke von Studierenden alljährlich versteigert werden.

FRAUEN BILD


 

 

Studienwerkstatt für Maltechnik,
Leitung: Dr. Kathrin Kinseher.
Arbeit von Lara Koch.
Foto: Dr. Kathrin Kinseher
Else Jaskolla in ihrem Atelier.
Sie wurde 1920 als erste Frau in Deutschland zur außerordentlichen Professorin an die Kunstgewerbeschule berufen.
Fotografie, Personalakte Else Jaskolla, Archiv AdBK

Erste Immatrikulation einer Frau, der späteren Historienmalerin Maria Ellenrieder. Bis 1839 werden es knapp 50 Studentinnen (von insgesamt rund 2.500 Studenten) sein, bevor, wie auch an anderen Akademien üblich, nur noch Männer zugelassen werden. Mit einer Ausnahme: Elisabeth Ney kann sich als einzige Frau zwischen 

In dieser Zeit bleibt Frauen über mehrere Generationen hinweg der Zugang zur Münchner Kunstakademie versperrt, unabhängig davon, wie talentiert oder entschlossen sie waren, Künstlerin zu werden. Die Künstlerinnen sind gezwungen, an einer der zahlreichen privaten Malschulen zu studieren. Im Gegensatz zum staatlich geförderten Akademiebesuch war das Studium an diesen Malschulen teuer. Nur wohlhabende Malschülerinnen konnten sich so eine Ausbildung leisten. 

Gründung einer „weiblichen Abteilung“ der Kunstgewerbeschule, welche die Ausbildung von Zeichenlehrerinnen übernimmt.

Gründung eines Künstlerinnenvereins, der ab 1884 eine „DamenAkademie“ betreibt, die keine Aufnahmeprüfung abhält, aber jährlich 400 Mark Studiengebühr erhebt (Akademie: sieben Mark). Sie bietet Frauen in Bayern die erste Möglichkeit eines systematischen Kunstunterrichts, der sich am Lehrplan der Akademie orientiert. Um die Jahrhundertwende unterhält sie in der Barer Straße Ateliers; darüber hinaus arbeitet im Sommer eine Landschaftsklasse in Seebruck am Chiemsee.

Die polnische Malerin Zofia Stryjeńska immatrikuliert sich unter dem Namen ihres Bruders Tadeusz Grzymała-Lubanski und studiert in Männerkleidern in der Klasse von Hackl. 

Im Oktober 1920 öffnet sich die Akademie nun wieder auch weiblichen Studierenden. Unter den 70 frisch immatrikulierten Student*innen befanden sich 17 Frauen. Von Gleichstellung war in der männerdominierten Gesellschaft aber noch lange keine Rede. 

Mit Else Brauneis, die seit 1923 Malerei, Perspektive und Darstellende Geometrie an der Kunstgewerbeschule unterrichtet, wird die erste und bis 1992 einzige Professorin an die Münchner Kunstakademie berufen. 

Die Münchner Kunstakademie befindet sich im Umbruch. Im Kollegium sitzen mehr Frauen als Männer. Und seitdem Karen Pontoppidan Dieter Rehm, Professor für Fotografie, nach dessen zwölfjähriger Amtszeit im April 2022 als Präsidentin ablöste, wird ein weiteres Kapitel aufgeschlagen. 


Nur noch kurz die WELT retten


 

Karen Pontoppidan (54) ist seit April Präsidentin an der Akademie der Bildenden Künste München. Damit steht 214 Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1808 erstmals eine Frau an der Spitze dieser wichtigen Kulturinstitution.

Unsere Autorin Katja Kraft sprach mit Karen Pontoppidan über das Erschaffen und Vermarkten von Kunst. 

Karen Pontoppidan (*1968 in Dänemark) ist eine der renommiertesten Schmuckkünstlerinnen ihrer Generation. In ihrer künstlerischen Arbeit stellt sie grundlegende Fragen über den Sinn des Schmucktragens. Sie ist ausgebildet als Formgeberin für Schmuck und Gerät (Schwäbisch Gmünd 1991) und hat 1998 das Studium in der Klasse von Prof. Otto Künzli an der Akademie der Bildenden Künste München mit Diplom abgeschlossen.

In ihrer Tätigkeit als Lehrende war sie unter anderem von 2006 bis 2015 Professorin für Schmuck und Gerät am Ädellab, Konstfack University College of Arts, Crafts and Design in Stockholm.

Im April 2015 wurde Karen Pontoppidan als Professorin für Goldschmiedekunst an die Akademie der Bildenden Künste München berufen und war von 2016 bis 2020 bereits als Vizepräsidentin in der Hochschulleitung tätig.
Karen Pontoppidan lebt und arbeitet in München.

Kann man Kunst einfach so lernen?

(lacht). Nein, nicht im Sinne von: Wenn du das Grün anmalst, wird es Kunst. Unsere Studierenden sind aber tatsächlich frei in ihrem künstlerischen Tun und können ihre Kreativität voll ausleben. Wir bieten ein breites Angebot an Reflexionsmöglichkeiten über das eigene Schaffen. Dabei wird der professionelle Kontext nicht ausgeklammert: Wie tickt der Kunstmarkt? Wie gestalte ich Preise? Wie organisiere ich Ausstellungen? Das alles sind Fragen, die bei uns neben dem eigentlichen Schaffensprozess auf der Agenda stehen.

 

Akademie und Kunstmarkt, wie geht das zusammen?

Diese Frage habe ich erst kürzlich bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der AkademieAuktion diskutiert. Das Thema lautete „Junge Kunst in München – von der Akademie zum Kunstmarkt“. Das zeigt, wie wichtig und aktuell die Sache für uns ist. Selbstverständlich ist der Kunstmarkt für viele Studierende eine Zukunftsperspektive, auf die wir sie vorbereiten müssen. Gleichzeitig müssen wir auch in dem Bewusstsein arbeiten, dass nicht jedes Werk kunstmarkttauglich ist und alternative Karrierewege für die Studierenden eröffnet werden müssen.

 

Was halten Sie von Auktionshäusern?

Ich halte sie für wichtige Institutionen, vor allem, wenn es um die Frage der Überprüfung der Herkunftsgeschichte von Werken geht. Auktionshäuser wie NEUMEISTER, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind, leisten einen wichtigen Beitrag zur Provenienz der eingelieferten Werke.

 

Falls ich ein Bild für meine Wohnzimmerwand suche, kann ich dann bei Ihnen anrufen?

Prinzipiell schon, aber ich empfehle, die Jahresausstellung oder die Auktion des Akademievereins zu besuchen. Da erhalten Sie einen guten Überblick und kommen mit den Studierenden ins Gespräch. Und, klar, könnten Sie da auch ein Bild für Ihre Wand erwerben. Die Studierenden wissen: Durch einen Verkauf ist ihre Arbeit in der Welt, wird gesehen und besprochen.

 

Und wenn ich dann nach dem Preis frage?

Ich rate meinen Studierenden, die Preise zunächst niedrig anzusetzen. Es ist durchaus möglich, sie später zu erhöhen, Preise im Nachgang zu senken, ist in Sachen Vermarktung jedoch keine gute Idee. Aber ich respektiere es auch, wenn jemand sagt: Dieses Werk hat für mich einen besonders großen Wert und entsprechend hoch setze ich den Preis an. Unsere Studierenden besitzen da ein gesundes Selbstbewusstsein. 

 

Sind Studierende heute selbstbewusster als früher?

In gewisser Weise schon. Aber sie sind auch ein bisschen desillusionierter. Ich habe vor 30 Jahren studiert. Wir waren seinerzeit überzeugt, dass wir die Welt verändern können. Heute glauben wohl die wenigsten Studierenden daran, dass ihnen das gelingt. Sie verstehen sehr gut, in was für eine Welt sie hinausgehen und wie schwierig es ist, im professionellen Kontext Fuß zu fassen. Da fehlt ein wenig von unserer damaligen Naivität, die ja auch etwas sehr Fruchtbares hat. Andererseits bereitet eine eher nüchterne Einstellung auch besser auf das vor, was auf Studierende zukommt.

Welche Themen beschäftigen Studierende gerade?

Bei knapp 800 Studierenden kann ich keine generelle Aussage machen, aber bei der Jahresausstellung und auch bei der Diplomausstellung im Februar war das Thema „Menschlicher Körper“ sehr präsent in den Arbeiten, und zwar in vielen Facetten: Da geht es um die Wahrnehmung des Körpers in der Gesellschaft und im Verhältnis zu gesellschaftlichen Normen, um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, dem eigenen Aussehen, mit der Sexualisierung des Körpers. Ich vermute, dass die Fokussierung auf das Körperliche mit der Erfahrung des Lockdowns und der Abstandsregeln in der Pandemie zu tun hat. 

 

Inwiefern reagiert die Akademie auf aktuelle Entwicklungen in der Kunst?

Stichwort: Digital Art, die ja gerade ein Riesenthema ist. Wir bleiben bei allen Entwicklungen am Ball. Gerade läuft das Berufungsverfahren für eine zweite Professur für Digitale Medien – ich hoffe, dass wir diese Professur ab April besetzt haben.

 

Wird es bald nur noch digitale Kunst geben?

Auch die Fotografie hat die Malerei nicht abgeschafft. Manchmal ist es schwierig, sich auf neue Dinge einzulassen. Doch wir müssen uns klarmachen, dass Kunst immer auch die aktuellen gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen reflektiert. Und dazu gehört natürlich auch die bahnbrechende Digitalisierung. Ich finde es spannend, was sich da gerade für Formate in der digitalen Kunst entwickeln.

 

Sie sind selbst Künstlerin und haben in den letzten Jahren in München viele Projekte verwirklicht. 2019 zum Beispiel eine Einzelausstellung mit eigenen Werken in der Villa Stuck. Dann die von Ihnen kuratierte Schmuckismus!-Ausstellung in der Pinakothek der Moderne. 2021 schließlich MUC/Schmuck im Münchner Stadtmuseum, bei der Arbeiten der Studierenden Ihrer Schmuckklasse zu sehen waren. Sie sind eine echte Macherin!

Oh ja, das bin ich. Ich möchte Dinge bewegen und besitze dafür den nötigen Kampfgeist. Ich habe ge - lernt, dass man als Frau meiner Generation immer besser sein muss als männliche Kollegen um etwas zu erreichen. Ich gebe alles. Man muss mit mir rechnen (lacht).  

 

Dann gehen Sie sicher auch die vor Ihnen liegenden Aufgaben als Präsidentin zuversichtlich an?

Ich habe in diesem Haus, das mir sehr am Herzen liegt und ein wichtiger Teil meines Lebens ist, sechs Jahre studiert und später sechs Jahre als Assistentin gearbeitet. Nun bin ich hier seit sieben Jahren Professorin und war auch bereits vier Jahre Vize-Präsidentin. Ich wusste ungefähr, was auf mich zukommt. Jetzt geht es noch mehr um ökonomische und verwaltungstechnische Aufgaben, aber das schreckt mich nicht ab. Ich kenne das Haus in- und auswendig, weiß um seine Stärken und Schwächen. Und eine der ganz großen Stärken ist unser Team. Wir haben hier im Haus viele kluge und kreative Köpfe, so dass wir gemeinsam viel erreichen können. Natürlich gibt es unterschiedliche Meinungen und Diskussionen, aber streiten gehört dazu. Wenn wir uns immer alle einig wären, könnten wir unser Potential nicht ausschöpfen. Und genau das wollen wir.

 

Welche Ziele hat die neue Präsidentin?

Ich möchte das Haus stärker ins Licht der Öffentlichkeit rücken. So habe ich letztens ein Interview bei der PIN-Gala gegeben. Die Teilnahme an solchen Events – und auch dieses Interview mit Ihnen – sind einige von vielen kleinen Aktivitäten, mit denen ich die Akademie stärker ins Bewusstsein der Leute bringen möchte. Ich glaube an dieses Haus und möchte, dass seine außergewöhnliche Bedeutung und Qualität noch stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Letztendlich geht es hier um große Themen wie die Relevanz der Kunst für die Gesellschaft. Ich will ganz grundsätzlich verdeutlichen, dass Kunst ein essentieller Bestandteil unserer Identität ist, dass sie – und die Institutionen, an denen sie gelehrt wird – wirklich systemrelevant ist. 

Die Akademie der Bildenden Künste München,
Holzstich, 1887.
Archiv AdBK

Kurfürst Max III. Joseph bewilligt eine „Zeichnungs Schule respective Maler- und Bildhauerakademie“ im ehemaligen Cotta-Palais in der Hinteren Schwabinger Gasse (heute Theatinerstraße 11). 

Die Akademie zieht in das vormalige Jesuitenkolleg (Wilhelminum) an der Neuhauser Straße um.

Der Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling hält zum Namenstag von König Max I. Joseph am 12. Oktober die Rede „Ueber das Verhältniss der bildenden Künste zu der Natur“. Er wird Generalsekretär der Akademie und amtiert offiziell bis 1823.

Am 13. Mai wird eine umfangreiche und detaillierte Konstitution für die „Königliche Akademie der Bildenden Künste München“ erlassen. 

schwingt sich die Akademie zu einem der weltweit bedeutenden Zentren der Malerei empor und schafft mit der „Münchner Schule“ einen eigenen Stil mit weit - gehenden Einflüssen auf die europäische Malerei. Maler wie Franz von Defregger und Franz von Stuck sowie die Bildhauer Ludwig Schwanthaler und Adolf von Hildebrand lehren hier, und unter Wilhelm von Kaulbach, Karl Theodor von Piloty und Nikolaus Gysis erlebt die Akademie ihren Zenit.

Die Akademie heute.
Foto: Dieter Rehm

bezieht die Münchner Kunstakademie das von Gottfried von Neureuther gebaute neue Gebäude am Siegestor in der Maxvorstadt.

Von der „Münchener Künstlergenossenschaft“ spaltet sich die „Münchener Secession“ ab. In den folgenden Jahren werden gezielt Mitglieder der Secession berufen. In der „Prinzregentenzeit“ (1886 –1912) erlebt die Akademie eine zweite Glanzzeit. Mit Studenten wie Josef Albers, Giorgio de Chirico, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Alfred Kubin, Franz Marc, Otto Mueller, Bruno Paul, Hans Purrmann, Christian Schad, Edwin Scharff, Max Slevogt, Lesser Ury oder Albert Weisgerber – die Bewerbung Emil Noldes wird 1898 abgelehnt – ist sie nun ein Magnet für die Generation, die der Moderne entscheidende Anregungen liefern sollte.

erweitert Friedrich von Thiersch das Gebäude an seiner dem Akademiegarten zugewandten Nordseite um eine Aula. Sie dient der Präsentation zehn wertvoller und großflächiger Gobelins, die der Akademie 1815 von König Max I. Joseph geschenkt worden waren und auf deren Formate sie zugeschnitten ist.

Gründung der „Neuen Secession“, zu der auch die späteren Professoren Bernhard Bleeker und Karl Caspar gehören.

verliert die Akademie schnell an Bedeutung.

und der Anbiederung an den Kunstgeschmack der Machthaber erfolgt schließlich der endgültige Niedergang. Bei Bombenangriffen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wird das Akademiegebäude schwer beschädigt.

wird die Akademie der Bildenden Künste mit der Akademie für Angewandte Kunst zusammengelegt und firmiert nun als „Hochschule der Bildenden Künste in München“. 

fällt es der Akademie schwer, den Anschluss an das internationale Kunstgeschehen zu finden. Durch Neuberufungen, unter anderem von Sep Ruf, macht sie jedoch in den Fünfzigern von sich Reden. 

Akademie Galerie 2021.
Hyundeok Hwang: Fantasi-ealität
Foto: Hyundeok Hwang

wird die Kunstakademie zu einem Brennpunkt des politisch-gesellschaftlichen Aufbruchs und erlebt ihre turbulenteste Zeit. Das altehrwürdige Gebäude wird zum Ort von Partys, Konzerten, Diskussionen und Happenings umfunktioniert. Am 4. Februar 1969 veranstaltet der AStA eine parodistische Immatrikulationsfeier; einen Tag später findet der „Tag des Zweirads“ statt. Neben einigen schweren Maschinen sind hauptsächlich Mopeds und Fahrräder beteiligt, die durch die Gänge rasen, um „das Establishment einzuschüchtern und die Akademie zu entweihen“. Die Studierenden bemalen die Wände mit Parolen und kruder Agitationskunst. Die Bild-Zeitung vom 21. Februar titelt: „Münchens Akademie in Schweinestall verwandelt“. Die Akademie wird am 22. Februar von Kultusminister Ludwig Huber geschlossen; ein Verwaltungsgerichtsurteil hebt diese Schließung wieder auf. Die Ereignisse dieser Jahre führen zu einer lange anhaltenden Entfremdung zwischen der Akademie und dem Ministerium, deren Opfer die überfällige Sanierung des Hauses wird.

spielt die Akademie wieder auf internationaler Bühne mit. 1981 werden mit Eduardo Paolozzi und Robin Page die ersten beiden Professoren aus der britischen und nordamerikanischen Kunstszene berufen. 

Gründung der Akademie Galerie im Sperrengeschoss der U-Bahn-Station „Universität“. 

Der Erweiterungsbau der Akademie des Wiener Architekturbüros Coop Himmelb(l)au wird fertiggestellt. 

Heute.

Die Akademie der Bildenden Künste München behauptet ihren herausragenden Platz in der internationalen Kunsthochschullandschaft. Die Art der praktizierten Lehre – individuell, frei, experimentell und in dem Bewusstsein, dass auch Fehlschläge Teil der Ausbildung sind –, ist heute nahezu einzigartig. Und die Beschäftigung mit vielen aktuellen und relevanten Fragestellungen ist ein wertvoller Beitrag für eine demokratische Gesellschaft – so sehen es wohl die meisten derjenigen, die derzeit am Standort der Akademie in Schwabing lernen und lehren.

 


HOLY-WOOD

Berührend. Meisterhaft. Kostbar:

 


Die schönsten Skulpturen der Dezemberauktion.

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