EDITORIAL
Liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde,
gerade in schwierigen Zeiten lädt Kunst dazu ein, sich mit schönen Dingen von Sorgen abzulenken. Doch ganz im Sinne von Platons Trias des Wahren, Schönen und Guten lässt sich die Ästhetik eben nicht von der Wahrheit und dem Edlen trennen. Kunst lädt nicht zur Gedankenflucht, sondern vielmehr zu Selbstreflektion und Diskurs ein. Warum in den Politikrunden der Talkshows viele (und immer die gleichen…) Fachleute, aber selten Künstlerinnen und Künstler zu Wort kommen, frage nicht nur ich mich, sondern auch Karen Pontoppidan, seit April Präsidentin an der Akademie der Bildenden Künste München.
In diesem Heft geht es um Menschen, die im Bereich der Kunst und anderswo Dinge bewegen und bemerkenswerte Lebensläufe vorweisen. Oder Gutes tun, wie die Münchner Äbtissin Carmen Tatschmurat, die ich bei der Predigt am Patronatstag in der Münchner Kirche St. Michael live erlebt habe. Ihre Worte haben mich beeindruckt. Und ihr natürlicher und offener Auftritt hat mich berührt. Die Äbtissin trug am Altar nicht das schwarze knöchellange Ordensoutfit, sondern normale Alltagskleidung. Im Nachgang erzählte sie dann auch, wie man in ihrer Abtei Beruf und Berufung in Einklang bringt – ein Gespräch, das inspiriert. Ebenso wie die Geschichten, die Professor Frido Mann in die Barer Straße trug. Sie kreisen um eine Herrenarmbanduhr, die der „Lieblinksenkel“ des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann von seinem Großvater erbte und die er nun versteigert. Zugunsten des „Weltklosters“, einem Kloster ohne Mauern. Auch nicht in den Köpfen.
Um im religiösen Kontext zu bleiben: Anfang Oktober öffnete das für 73,8 Millionen Euro runderneuerte Diözesanmuseum auf dem Freisinger Domberg seine Pforten. Geleitet wird das nach dem Vatikan größte religionsgeschichtliche Museen der Welt von Dr. Christoph Kürzeder, auch er ein echter Macher. Die NEUMEISTER-Belegschaft ist bereits nahezu geschlossen nach Freising gepilgert.
Der Ansatz, mit Kunst Brücken über die Jahrhunderte zu schlagen, ist auch das Anliegen bei NEUMEISTER. Und dann ist uns die Freisinger Sammlung besonders nah, weil sie teils mit exzellenten Werken bestückt ist, die bei uns ersteigert wurden und zudem in jeder Auktion Kunstwerke mit religiösem Kontext zum Aufruf kommen – diesmal sind es besonders viele und meisterhaft gearbeitete gotische Skulpturen.
Ein außergewöhnlicher Mensch war auch Johannes B. Ortner, ein Münchner Bauunternehmer, der bei uns regelmäßig Kunstwerke ersteigert hatte. Am Ende fragte er sich, wie er mit Kunst und sonstigen Vermögenswerten zeitlebens und auch nach seinem Tod Gutes tun kann. Und er fand einen Weg, in dem er eine nach ihm benannte Stiftung gründete, die den akademischen Nachwuchs an der Technischen Universität München fördert. Was uns besonders freut: Auf den ausdrücklichen testamentarischen Wunsch des im Frühjahr verstorbenen Mäzens werden Kunstwerke aus seinem Nachlass nun bei NEUMEISTER versteigert. Und auch das dient einem guten Zweck. So geht der Auktionserlös an eine Stiftung, die den akademischen Nachwuchs an der Technischen Universität München fördert. Dank dieser Unterstützung wurden Wege für Studierende geebnet, die sich an der Uni besonders ausgezeichnet haben, aber nicht immer über die nötigen Mittel verfügen, um die akademische Karriere voranzutreiben. Gutes tun. Anderen helfen. Mut zeigen. Das sind doch schöne Vorsätze für 2023.
INHALT
HOLY-WOOD
Berührend. Meisterhaft. Kostbar:
Die schönsten Skulpturen der Dezemberauktion.
BERUF UND BERUFUNG
Die Benediktinerabtei Venio OSB vereint weltliches und geistliches Leben. Ein Gespräch mit Äbtissin Carmen Tatschmurat.
VON KATJA KRAFT
TITELKAMPF
Die Umbenennung von Kunstwerken mit diskriminierenden Titeln erregt die Gemüter. NEUMEISTER geht mit dem Thema sensibel um.
VICTORIA ZWOELFER ÜBER DIE KUNST, Kunst zu vererben