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EINE KLEINE GESCHICHTE DES HAUSES WÜRTTEMBERG

Der Stammbaum zeigt die gesamte Familie der Württemberger vom Stammvater Ulrich I. (1226  – 1265) bis zur Entstehungszeit der Abbildung im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. Interessant ist vor allem die Kolorierung des Baumes, durch die jede Linie farblich unterschieden werden kann. So wird auf den ersten Blick klar, wo die einzelnen Familiengabelungen stattfinden.

LOT 1306
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WÜRTTEMBERG IN SCHLESIEN

VON HARALD SCHUKRAFT

Dass Angehörige des protestantischen Hauses Württemberg in Schlesien zu Territorialfürsten geworden sind, war das Ergebnis politischer Ränkespiele am Ende des Dreißigjährigen Krieges. Da die Schlösser der erst seit 1617 bestehenden Nebenlinie Württemberg-Weiltingen von feindlichen Truppen entweder zerstört oder beschlagnahmt worden waren, wurden mehrere Prinzen und Prinzessinnen zur Erziehung an den Hof Herzog Ernsts des Frommen nach Gotha in Thüringen geschickt. Unter ihnen war der 1622 geborene Silvius Nimrod, der schließlich zum Stammvater der Ersten Schlesischen Linie der Württemberger werden sollte.

Da dem Kaiser viel daran lag, dem Katholizismus in Schlesien noch mehr Raum zu geben, musste damit gerechnet werden, dass Ferdinand III. beim Tod des letzten protestantischen Herzogs von Oels das evangelische Fürstentum einziehen und an einen katholischen Parteigänger neu vergeben würde. Um diese Gefahr zu minimieren, wurde für die einzige Tochter Karl Friedrichs von Münsterberg-Oels (1593 – 1647), Elisabeth Marie (1625 – 1686), ein evangelischer Bräutigam gesucht. Damit sollte gewährleistet werden, dass das seit 1538 protestantische Fürstentum Oels der Reformation erhalten bleibt.

Sächsische Verwandte der Oelser Erbtochter haben Herzog Silvius Nimrod von Württemberg-Weiltingen (1622 – 1664) als Heiratskandidaten für Elisabeth Marie empfohlen und damit Erfolg gehabt: am 1. Mai 1647 wurde Hochzeit gefeiert. Als der Brautvater kurz darauf am letzten Maitag völlig überraschend starb, hätte Kaiser Ferdinand III. als Lehensherr das Recht gehabt, das Fürstentum Oels als heimgefallenes Lehen der böhmischen Krone einzuziehen.

Sowohl das Haus Württemberg als auch die sächsischen Fürsten haben am Rande der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden durch entschiedenes Auftreten aber erreicht, dass Ferdinand III. das Fürstentum Oels dem jungen Herzogspaar zu erstaunlich günstigen Bedingungen überlassen hat. Der Kaiser hat sich sein Entgegenkommen jedoch mit einer „Gebühr“ in Höhe von etwa 100 000 Gulden honorieren lassen. Die offizielle Belehnung hat am 15. Dezember 1648 in Wien stattgefunden. Damit begann eine Präsenz des Hauses Württemberg im Land an der Oder, die erst dreihundert Jahre später durch die Veränderungen infolge des Zweiten Weltkriegs zu einem Ende kommen sollte. 1945 hat die Dritte Schlesische Linie sämtlichen Grundbesitz östlich von Oder und Neiße verloren.

Alleinstellungsmerkmale dieser schlesischen Württemberger innerhalb des Gesamthauses war ihr bemerkenswertes kulturelles Niveau. Barocke Kirchenausstattungen, elegante Schlossanlagen mit zeitgemäßen Gartenparterres sowie kunstvolle Medaillenprägungen haben die Oelser Herzöge über andere Familienzweige hinausgehoben. Im Zuge der Rekatholisierungsbestrebungen der Habsburger gewannen die Herzöge von Württemberg-Oels zunehmend religionspolitische Bedeutung.

Oels wurde zu einer Zufluchtsstätte für Protestanten. Nach dem Aussterben der schlesischen Piasten im Jahr 1675 war das Fürstentum Oels das letzte protestantische Territorium in Schlesien. Die Herzöge intensivierten von da ab ihre Beziehungen zu den brandenburgischen Hohenzollern, die zu einer Schutzmacht für die protestantische Bevölkerung Schlesiens wurden.

Die Nachkommen von Silvius Nimrod und Elisabeth Marie haben das Fürstentum Oels vorübergehend in drei Teile geteilt und eigene Familienzweige begründet, die jedoch nach und nach wieder ausgestorben sind – bis 1745 unter Herzog Carl Christian Erdmann, dem Urenkel des Gründerpaares, das Fürstentum Oels nach mehr als sieben Jahrzehnten wieder in einer Hand vereinigt werden konnte.

Dieser Carl Christian Erdmann steht schließlich am Beginn der Geschichte der Herrschaft Carlsruhe, welche im 19. und 20. Jahrhundert zum Sitz einer Sekundogenitur des Hauses Württemberg werden sollte. Es lässt sich nicht urkundlich nachweisen, wie das Haus Württemberg in den Besitz der an der Grenze von Nieder- und Oberschlesien gelegenen Herrschaft gekommen ist. Der überlieferte Erwerb im Jahre 1688 ist eher unwahrscheinlich, viel plausibler ist, dass Herzog Carl Christian Erdmann das waldreiche Gebiet über seine Mutter Charlotte Philippine (1691 – 1758) von den Grafen von Redern geerbt hat.

 

Carl Christian Erdmann, der 1741 Gräfin Marie Sophie Wilhelmine von SolmsLaubach geheiratet hat, hielt sich gerne zur Jagd in den ausgedehnten Wäldern Oberschlesiens auf. Er legte 1748 einen Tiergarten an und erbaute ein kleines hölzernes Jagdschloss im Zentrum eines von acht Alleen gebildeten Sterns. Nach dem ersten Vornamen des Herzogs wurde es Carlsruhe genannt. Als dieses Schloss 1751 abbrannte, wurde es als Steinbau neu errichtet und zum Ausgangspunkt einer neuen Residenz. Bald entstanden Kavaliershäuser um den Schlossplatz und es wurde ein Garten im französischen Stil angelegt. 1775 konnte die noch heute erhaltene evangelische Sophienkirche eingeweiht werden. Sie gilt als bedeutendste protestantische Kirche in Oberschlesien. Die Gartenanlagen wurden durch einen englischen Landschaftspark ergänzt, der durch Staffagebauten wie Teehäuser, Pavillons, Tempel und einen Leuchtturm zu einem reizvollen Elysium ausgestaltet wurde.

Nach dem Übergang Schlesiens von den Habsburgern an Preußen wurden die Herrschaftsrechte über das Fürstentum Oels stark eingeschränkt. Carl Christian Erdmann wurde quasi zu einem Großgrundbesitzer herabgestuft, einzig das Münzrecht wurde ihm belassen, weshalb er 1785 in Breslau 2000 Reichstaler mit seinem Porträt prägen und in Umlauf bringen ließ. Die Herrschaft Carlsruhe lag außerhalb des Fürstentums Oels und war Allod, also Privatbesitz. Deshalb war Herzog Carl Christian Erdmann völlig frei in seiner Entscheidung, wem sie als Erbe zufallen sollte.

Schloss Carlsruhe im späten 18. Jahrhundert (links) und um 1900 (rechts)

Mit Zustimmung des preußischen Königs war schon lange geregelt, dass Oels dereinst an Herzog Friedrich August von Braunschweig-Lüneburg (1740 – 1805) übergehen würde. Er war der Gemahl von Herzogin Friederike Sophie von Württemberg-Oels (1751 – 1789), dem einzigen die ersten Lebensjahre überlebenden Kind des Oelser Herzogspaares. Sie starb allerdings bereits 1789 an den Pocken und wurde in der Carlsruher Sophienkirche bestattet.

Als Herzog Carl Christian Erdmann am 8. Dezember 1792 sein Testament niederschrieb, verfügte er, dass die knapp 70 Quadratkilometer große Herrschaft Carlsruhe an den dritten Sohn von Herzog Friedrich Eugen von Württemberg (1732 – 1797), Eugen (1758 – 1822), übergehen soll. Neben der Herrschaft und deren Zubehör schlug er diesem Erbe ausdrücklich auch „unser silbernes Tafelservice, nebst einer großen und 2 mittleren Plat de Menage und Gestecke und was sonst dazu gehörig“ mit der Bestimmung zu, dass diese Stücke für alle Zeiten „unzertrennlich“ zum Fideikommiss Carlsruhe gehören sollen. Sein Testament wurde zu einem „Grundgesetz“ bezüglich der zukünftigen Vererbung, da Carl Christian Erdmann detailliert festlegte, wie im Einzelfall zu verfahren sei. Entscheidend war, dass der bewegliche und unbewegliche Besitz stets an einen Angehörigen des Hauses Württemberg übertragen werden müsse.

Der Erblasser starb nur sechs Tage nach der Abfassung seines Testaments in Oels, hatte allerdings seiner Gemahlin den Nießbrauch über die Herrschaft Carlsruhe und den Silberschatz eingeräumt. Sie starb bereits am 25. März 1793, wodurch das Erbe auf Herzog Eugen übergegangen ist. Er war seit 1787 mit Prinzessin Luise von Stolberg-Gedern (1764 – 1834), einer verwitweten Herzogin von Sachsen-Meiningen, verheiratet. Dieses Herzogspaar begründete damit die Zweite Schlesische Linie des Hauses Württemberg, die nach vier weiteren Generationen 1903 im Mannesstamm erloschen ist.

Da die bisherige Sekundogenitur des Hauses Württemberg in Mömpelgard (frz. Montbéliard) im Zuge der Französischen Revolution an Frankreich gefallen war, rückte Carlsruhe in Oberschlesien zur Sekundogenitur auf. Die Herzöge der Zweiten Schlesischen Linie waren die nächsten protestantischen Anwärter auf den Thron im Königreich Württemberg nach der Stuttgarter Hauptlinie. Ihr kam genealogisch daher eine ganz besondere Bedeutung zu.

Der im 19. Jahrhundert in Carlsruhe residierende Familienzweig zeichnete sich durch bemerkenswerte kulturelle Interessen aus. Die männlichen Angehörigen waren zwar zumeist in hohen militärischen Stellungen Russlands, Preußens und Österreichs – nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst widmeten sie sich bevorzugt der Musik, der Dichtung und dem Ausbau der Parkanlagen um Carlsruhe. 1806/07 war für einige Zeit Carl Maria von Weber Hofkapellmeister am Theater und von 1826 bis 1829 wirkte eine Tochter des Dichters Friedrich Schiller als Erzieherin der fürstlichen Kinder.

Die weiblichen Mitglieder des Familienzweiges widmeten sich vor allem der Malerei und der Dichtung. Besonders Herzogin Mathilde (1818-1891), die Gemahlin von Herzog Eugen (III.) Erdmann (1820 – 1875), gab sich leidenschaftlich dem Zeichnen und Malen hin. Sie illustrierte die Gedichtveröffentlichungen ihres Gemahls und übertrug Familienporträts ins Kleinformat.

Herzog Eugen (II.) (1788 – 1857), der wegen seines militärischen Engagements auch der „russische Eugen“ genannt wurde, ist selbst als Komponist von Opern und Instrumentalwerken hervorgetreten, die bis in unsere Zeit aufgeführt werden. Während des ganzen 19. Jahrhunderts war die Weiterentwicklung der Park- und Teichlandschaft ein wichtiges Anliegen der Herzogsfamilie. Das an Herzog Eugen (II.) erinnernde Löwendenkmal und der zu Ehren seiner ersten Gemahlin Mathilde von Waldeck-Pyrmont (1801 – 1825) auf einem künstlichen Hügel errichtete Mathildentempel sowie viele weitere Parkbauten zeugen bis heute von diesem irdischen Arkadien in den oberschlesischen Wäldern. Mittlerweile werden die Anlagen wieder gepflegt, Skulpturen restauriert und Tempel rekonstruiert.

Der jüngere Bruder Herzog Eugens (II.), Herzog Paul Wilhelm (1797 – 1860), ist durch seine Reisen nach Amerika und Australien in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen. Er wurde zeitweilig in einem Atemzug mit Alexander von Humboldt genannt. Leider ist das Meiste seiner Aufzeichnungen unveröffentlicht im Zweiten Weltkrieg verbrannt. Teile seiner ethnographischen und zoologischen Sammlungen sind in vielen Museen Europas zu finden.

Da 1903 mit dem Tod von Herzog Nikolaus (1833 – 1903), dem letzten evangelischen Thronanwärter des Königreichs Württemberg, die Zweite Schlesische Linie im Mannesstamm erloschen ist, wurde König Wilhelm II. von Württemberg (1848 – 1921) vorübergehend zum Besitzer von Carlsruhe. Er kam gerne zu Jagdaufenthalten in die wildreichen Wälder von Oberschlesien und richtete das Carlsruher Schloss nach seinen Bedürfnissen ein. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg ging Herzog Albrecht Eugen (18995 – 1954) aus der nun allein erbberechtigten katholischen Linie nach Carlsruhe, um den dortigen Besitz angesichts der von den Siegermächten angestrebten Grenzverschiebungen für das Haus Württemberg zu sichern.

Als zweitgeborener Sohn des späteren württembergischen Thronfolgers Herzog Albrecht (1865 – 1939) war Albrecht Eugen schon bei seiner Geburt als künftiger Erbe der Herrschaft Carlsruhe auserkoren und mit dem Carlsruher Leitnamen „Eugen“ getauft worden. Nach dem Tod König Wilhelms II. von Württemberg wurde Albrecht Eugen zum Besitzer von Carlsruhe. 1924 heiratete er Prinzessin Nadejda (1899 – 1958), die Tochter des früheren Zaren Ferdinand von Bulgarien aus dem Hause Sachsen-Coburg-Kohary. Das Paar bekam fünf Kinder, darunter drei Söhne, die alle ebenfalls den Carlsruher Leitnamen Eugen erhielten. Der älteste Sohn Ferdinand Eugen wurde 1925 geboren, er starb hochbetagt 2020. Diese Dritte Schlesische Linie konnte sich durch die territorialen Veränderungen am Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr in Schlesien entwickeln

Ein Paar schlafende Löwen („Dem Helden von Culm) Königlich preußische Eisengießerei Berlin oder Gleiwitz, 2. Hälfte 19. Jh. Eisenguss. 9,5 x 14 cm

LOT 1190
Ergebnis € 9.360 (inkl. 30 % Käuferaufgeld)

Der Autor Harald Schukraft ist Historiker mit dem Schwerpunkt südwestdeutsche Landesgeschichte, Geschichte des Hauses Württemberg und Stuttgarter Stadtgeschichte. Von ihm liegen zahlreiche Veröffentlichungen vor, unter anderem die „Kleine Geschichte des Hauses Württemberg“. 2014 wurde Harald Schukraft als korrespondierendes Mitglied in die Kommission für geschichtliche Landeskunde in BadenWürttemberg berufen. Er lebt und arbeitet in Stuttgart.

VERSÖHNUNG ALS HERZENSSACHE

ZUM GEDENKEN AN HERZOG FERDINAND VON WÜRTTEMBERG

Herzog Ferdinand von Württemberg wurde am 3. April 1925 im Schloss des oberschlesischen Städtchens Carlsruhe geboren, das sein Vater 1921 geerbt hatte. Er war das älteste von fünf Kindern aus der Ehe von Herzog Albrecht Eugen von Württemberg und der bulgarischen Prinzessin Nadejda. Der Junge verbrachte seine ersten sechs Lebensjahre auf dem Familienbesitz in Carlsruhe, und von Kindesbeinen haben die dichten Wälder und die riesigen Parkanlagen sein Interesse an der Natur geweckt.

Weil die Mutter unter dem feuchten Klima der Gegend litt, siedelte die Familie 1931 jedoch nach Württemberg über und bezog dort das kurz zuvor erworbene Schloss Lindach beim Schwäbisch Gmünd. Herzog Ferdinand erhielt seine schulische Ausbildung in St. Gallen in der Schweiz, anschließend besuchte er das Gymnasium im Kloster Ettal und – nachdem dieses geschlossen wurde – das Wittelsbacher-Gymnasium in München. Zwei Jahre später wurde er zur Infanterie eingezogen, aber schon nach drei Tagen wieder entlassen, da Hitler verfügt hatte, dass Angehörige ehemals regierender Herrscherfamilien aus der Wehrmacht zu entlassen seien – sie galten als "wehrunwürdig". Die Familie Herzog Ferdinands hatte aus ihrer Ablehnung des Nationalsozialismus nie einen Hehl gemacht und galt deshalb als besonders gefährdet. Als Demütigung wurde Herzog Ferdinand 1944 zur Schwerstarbeit im Wald verpflichtet, was zu dauerhaften Gesundheitsschäden führen sollte.

Obwohl bereits 1944 mit dem Kriegsabitur versehen, legte Herzog Ferdinand 1946 am Gymnasium von Schwäbisch Gmünd die reguläre Reifeprüfung ab. Dies erlaubte ihm ein Studium aufzunehmen – und für den potenziellen Erben der waldreichen Herrschaft Carlsruhe kam nur das Studium der Forstwissenschaft in Frage. Seine Studienzeit in Freiburg i. Br. schloss Herzog Ferdinand als DiplomForstwirt ab, arbeitete dann sechs Jahre als Referendar und trat schließlich als Forstassessor in den staatlichen Forstdienst. Ab November 1956 stand er in Diensten des Hauses Württemberg und war, zunächst als Forstmeister und schließlich als Forstdirektor, für die Hofkammerwälder verantwortlich. 1987 trat er mit 62 Jahren in den Ruhestand. Nach dem Tod des Vaters im Juni 1954 erbte Herzog Ferdinand als ältester Sohn die Herrschaft Carlsruhe, die mittlerweile jedoch in polnisches Staatseigentum übergegangen – und für die Württemberger somit verloren war. 1958, im Todesjahr der Mutter, wurde dann auch noch Schloss Lindach, der bisherige Lebensmittelpunkt der Familie, an einen Arzt verkauft. Herzog Ferdinand hat diesen zweiten Verlust nie ganz verwunden. Fortan nahm er seinen Hauptwohnsitz in Stuttgart, wo er sich mit vielen Erinnerungen aus Schloss Carlsruhe umgab; die meiste Zeit verbrachte er jedoch in seiner kleinen Wohnung in Friedrichshafen am Bodensee.

Nach seiner Pensionierung fiel Herzog Ferdinand mit der nur wenig später erfolgten politischen Wende in Europa eine in gewisser Weise "historische" Rolle zu. Neben seinem leidenschaftlichen Interesse an der Botanik beschäftigte er sich nun immer mehr mit der Geschichte – auch und insbesondere mit der seiner Familie. Mehr als vier Jahrzehnte war ihm der Besuch in Carlsruhe verwehrt, aber die Erinnerung, ja die Sehnsucht, nach einem Wiedersehen mit dem Ort seiner Kindheit war stets lebendig geblieben. Erstmals kam Herzog Ferdinand dann 1984 zu einem Kurzbesuch nach Carlsruhe, drei Jahre später besuchte er den Ort, der nun Pokój hieß, im Rahmen einer Studienreise des Schwäbischen Heimatbundes. Die Erinnerung an das kulturelle Erbe Carlsruhes wachzuhalten, lag ihm stets sehr am Herzen, dazu reiste er fortan regelmäßig mehrmals im Jahr nach Schlesien, um sich dort zum Beispiel für die Renovierung der barocken Sophienkirche sowie für die Wiederherstellung der ausgedehnten Parkanlagen und ihrer Denkmäler einzusetzen. Auch an den internationalen Carl-Maria-von-Weber-Musiktagen, die seit 2004 alljährlich in Pokój ausgetragen werden, nahm Herzog Ferdinand, selbst ein großer Musikliebhaber, seit Anbeginn teil und hat und die Veranstaltung auch finanziell unterstützt.

An seinem Geburtsort war Herzog Ferdinand, der weithin wegen seiner liebenswürdigen Art allseits geschätzt wurde, ein gern gesehener Gast. Er wurde zum Ehrenbürger von Pokój ernannt, und für seine Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung verlieh ihm der polnische Staatspräsident Andrzej Duda am 18. November 2016 in einer Feierstunde im polnischen Generalkonsulat in München den Verdienstorden der Republik Polen.

Am 2. November 2020 starb der Herzog in Friedrichshafen im Alter von 95 Jahren. Er hat damit in der seit fast 950 Jahren dokumentierten Geschichte das höchste jemals von einem männlichen Angehörigen dieser Dynastie nachgewiesene Alter erreicht.

Herzog Ferdinand (3.v.links) ist das älteste von fünf Kindern aus der Ehe Herzog Albrecht Eugen von Württemberg (links) und der bulgarischen Prinzessin Nadejda (2.v.rechts).
Herzog Ferdinand kehrte immer wieder nach Carlsruhe zurück. Das Bild zeigt ihn im Sommer 1987 im Park des ehemaligen Schlosses