ALICE und ELLEN KESSLER sind die berühmtesten Zwillinge im Showgeschäft. Nun lassen sie ihre legendären Bühnenkostüme in einer Online-Benefizauktion bei NEUMEISTER versteigern. Warum? Das erzählen sie unserer Autorin Katja Kraft bei einem Hausbesuch in Grünwald.

Das Geld möchten Sie für die Flutopfer im Ahrtal spenden.

Ellen
Das ist uns wirklich nahegegangen. 184 Tote! Ein Unglück, das man sich in einem so reichen Land wie Deutschland nicht hätte vorstellen können.

Alice
Durch den Ukraine-Krieg und die Pandemie ist das Ahrtal etwas in Vergessenheit geraten. Wir möchten das mit der Auktion wieder ein bisschen ins Bewusstsein rücken.

Wer sollte die Kostüme aus der Auktion tragen?

Ellen
Wer es will! Vielleicht sind einige für ein Museum interessant. Oder für Zwillings-Influencerinnen?

Alice
Unter den Outfits sind tatsächlich sehr schmale, wie das Meerjungfrauenkleid in Größe 34. Wir waren wirklich dünn damals. Aber es gibt auch größere Modelle. Oder man kauft einen der Zylinder, die passen immer!

Strapazierfähig mussten sie sicher auch sein …

Alice
Schon, aber wir haben nie sehr geschwitzt, selbst wenn wir acht Stunden lang getanzt haben! Dann hat man uns immer unterstellt: „Ihr schwitzt ja gar nicht – ihr strengt euch nicht genug an!“ (Lacht.)

Zwei Meerjungfrauenkleider, die Sie für die Auktion zur Verfügung stellen, stammen aus dem Jahr 1957. Das ist die Zeit, in der Ihre internationale Karriere im Pariser Lido in Schwung kam.

Ellen
Paris war so schön! Wir waren unbefangen, wir hatten Spaß, wir waren jung. Es war einfach interessant und toll. Wir haben natürlich auch hart gearbeitet. Zwei Shows am Tag, sieben Tage die Woche. Aber wir empfanden das nicht als anstrengend.

Sie waren damals fast noch Jugendliche, aber wenigstens immer zu zweit …

Alice
Das war gut so, denn man ist stärker zu zweit. Und kann Dinge machen, die man als Einzelperson wahrscheinlich nicht machen würde. Nach Australien gehen und da wochenlang auftreten, zum Beispiel.

Waren Sie eigentlich niemals genervt voneinander?

(Beide lachen.)

Ellen
Wir kennen es ja gar nicht anders. Nein, Gott sei Dank ist uns das nicht passiert.

 Dann konnten Sie das Leben in Paris trotzdem genießen?

Beide
Oh ja!

Ellen
Nach den Vorstellungen. Wir hatten eine Gruppe sehr netter Freunde, Studenten, die waren nicht vom Lido. Eigentlich waren die alle schwul. Das war natürlich toll, denn die wollten nichts von uns. Haben uns aber ins Herz geschlossen und ganz Paris gezeigt. Nachts sind wir alle gemeinsam losgezogen: Montparnasse, Pigalle, Montmartre...

Sie waren viele Jahre lang TV-Stars in Italien, dann sind Sie in den USA aufgetreten. Wie war das?

Ellen
Dort ist alles noch professioneller, perfekt. Wenn Sie sagen: Ich brauche dieses Licht auf der Bühne, dann bekommen Sie es. Die dortigen Orchester sind unglaublich: eine Probe und die können das Stück spielen. Da muss man selbst auch perfekt sein, oder?

Alice
Ja, nur die ganz großen Stars dürfen sich etwas herausnehmen. Als wir in der Dean-Martin-Show zu Gast waren, kam der nie zu den Proben! Frank Sinatra übrigens auch nicht. Der kam kurz vor der Sendung, wir haben uns einander vorgestellt, dann wurde ihm gesagt, was er machen soll. Und in der Show hat er das dann so locker rübergebracht, als hätte er 14 Tage geprobt.

Wie sind die amerikanischen Stars denn so? Sie haben ja sogar Elvis kennengelernt …

Ellen
Elvis war ein verklemmter junger Mann.

Alice
Ich glaube, er hatte erwartet, dass wir für ihn schwärmen, aber wir waren völlig cool und normal. Das hat ihn verunsichert. Ich kann diese Teenager eh nicht verstehen, die beim Anblick irgendwelcher Stars kreischen und in Ohnmacht fallen. So waren wir nie.

Ellen
Wir haben auch die Stars nie nach Autogrammen gefragt, höchstens mal für jemand anderen. Unser Schlagzeuger in Italien hat Sinatra verehrt, dem haben wir dann ein Autogramm besorgt.

Selfies gab’s ja noch nicht …

Alice
Fotos schon, aber die haben wir nur mit denjenigen gemacht, die mit uns gearbeitet haben. Deshalb gibt’s auch keins mit Elvis, aber ich muss zugeben: Wenn wir ausgegangen sind mit ihm, sah er schon toll aus …

Aber Fotos und Videofilme von Ihnen mit Frank Sinatra gibt es?

Alice
Oh ja, die schaue ich mir selten an, aber wenn, dann sehr gerne! Zum einen waren wir schöner damals, dann hatten wir wundervolle Kostüme an, und wir haben auch tolle Nummern gemacht. Tanznummern, bei denen ich manchmal denke: Mensch, das war richtig gut, was du da abgeliefert hast!

Sind Sie ehrgeizige Menschen?

Ellen
Sagen wir so: nicht verbissen ehrgeizig.

Alice
Unser Ehrgeiz war immer der, das perfekt zu machen, was wir machen mussten.

Ellen
Wir hatten ja gedacht, mit 30 wird unsere Karriere vorbei sein. Doch dann haben sich immer neue Türen geöffnet und es ging weiter und weiter!

Wenn Sie heute im Münchner Gärtnerplatztheater im Publikum sitzen, kribbelt es dann in den Beinen?

Beide
Nein!

Ellen
Ich bin manchmal so froh, dass ich sitzen und entspannen kann und nicht auf der Bühne ackern muss. (Lacht.)

Dann haben Sie alles erreicht?

Alice
Wir haben uns mal gewünscht, am Broadway zu spielen. Das hätte sich sogar ergeben, als wir in Italien ein Musical gespielt hatten, für das Carlo Ponti die Rechte besaß. Er wollte es an den Broadway bringen, und Danny Kaye sollte die männliche Hauptrolle spielen. Er kam extra nach Italien, um es sich anzusehen.

Ellen
Es ging um einen Mann zwischen zwei Frauen, seiner Ehefrau und seiner Traumfrau, die er sich im Kopf ausmalt. Das war natürlich eine großartige Ausgangssituation für uns Zwillinge. Aber am Broadway wird keine Show ohne Zweitbesetzung versichert – und woher hätte man eine Zweitbesetzung für uns Zwillinge zaubern können?

… Sie sind halt einmalig

Am 20. August 1936 werden Alice und – eine Dreiviertelstunde später – Ellen in Nerchau bei Leipzig als eineiige Zwillinge geboren. Bereits als Sechsjährige besuchen sie eine Ballettschule, 1947 werden sie ins Kinderballett der Leipziger Oper aufgenommen, 1950 bestehen sie die Aufnahmeprüfung zur Operntanzschule mit Auszeichnung. Kurz darauf siedelt die Familie in den Westen über, wo die Zwillinge ihre künstlerische Laufbahn fortsetzen.

Sie lernen schnell für sich selbst zu sorgen, finden 1952 im Düsseldorfer „Palladium“ eine Anstellung als Revuetänzerinnen. Eines Tages hockt im Publikum auch der Besitzer des Pariser Lido. Begeistert von Schönheit und Charme der Zwillinge, verpflichtet er sie für das weltberühmte Kabarett. 1954 gehen Alice und Ellen Kessler nach Paris, um dort allabendlich mit den Bluebell-Girls aufzutreten. Anfangs haben sie es nicht leicht: zwei Deutsche auf einer Pariser Bühne, das ist für viele Franzosen, nur wenige Jahre nach Kriegsende, ein Affront. Doch mit Professionalität, Disziplin, Verlässlichkeit und Freundlichkeit tanzen sich Alice und Ellen Kessler an die Spitze und starten in Paris eine einzigartige internationale ShowbizKarriere „made in Germany“. Fünf Jahre gehören die Kesslers zum Ensemble des legendären Varieté-Balletts.

Auch in den USA wird den Kessler-Zwillingen viel Anerkennung zuteil. Dort sind sie in den 1960er-Jahren fester Bestandteil der Shows von Dean Martin, Frank Sinatra oder Ed Sullivan – als Deutschlands erfolgreichster Exportartikel und doppelte Verkörperung des sogenannten „Fräuleinwunders“. In Deutschland stehen die Schwestern für zahlreiche Musikfilme und Fernsehshows vor der Kamera. Besonders große Popularität erlangen sie in Italien, wo sie jahrelang große TV-Erfolge feiern. 1961 sind sie dort die ersten Showgirls, die im Fernsehen Beine zeigen dürfen (in schwarzen Strumpfhosen). In Italien genießen „Le gemelle Kessler“ bis heute Kultstatus. Für ihre Bemühungen um die deutsch-italienische Verständigung erhielten sie den Preis „Premio Capa Circe“.

In den über 40 Jahren ihrer aktiven Karriere absolvieren die Kessler-Zwillinge weit über 1.000 Liveauftritte weltweit und begeistern mit ihrem Tanz und Gesang das Publikum auf allen Kontinenten, unter anderem in Las Vegas, New York, Buenos Aires, Tokyo oder Sydney – und bleiben in dieser glitzernden Showwelt stets bodenständig. Heute lassen es die beiden ruhiger angehen. Sie tanzen nicht mehr, singen aber noch gerne, geben Interviews und sind in Talk Shows zu Gast. Seit 1986 leben die Kessler-Zwillinge in einem schönen Doppelhaus im Münchner ProminentenVorort Grünwald. Und sind wie immer: unzertrennlich.

Als berühmteste Zwillinge im Showgeschäft tanzten und sangen sich Alice und Ellen Kessler weltweit die Erfolgstreppe hinauf und teilten sich dabei die Bühne mit Legenden wie Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis Jr., Harry Belafonte oder Marcello Mastroianni. Neben ihren perfekt synchronisierten Tanz- und Gesangsnummern waren die Kostüme wichtiger Bestandteil der Bühnenshows. Die Kleider, meist aus Chiffon und Seide, reich bestickt mit Pailletten und Perlen, wurden in Italien und Frankreich aufwendig und von Hand gefertigt.

Diesen Oktober können erstmals weltweit Bühnenkostüme der Kesslers aus den 1950er bis 1980er Jahren online ersteigert werden: Alice und Ellen Kessler stellen für eine Benefizauktion über 50 persönliche Kostüme und Accessoires zur Verfügung. Ersteigert werden können unter anderem Outfits aus legendären Las Vegas-Shows mit Frank Sinatra und Dean Martin, Kostüme aus der Pariser Lido-Zeit oder Glamourkleider der 1980er-Jahre. Die ältesten Stücke sind Meerjungfrauenkleider, die die Kessler-Zwillinge 1957 im Lido getragen haben (siehe Foto rechts).

Ab dem 12. Oktober 2022 stellt NEUMEISTER die Kessler-Kostüme aus und versteigert diese im Rahmen einer zweiwöchigen Onlineauktion zu Schätzpreisen zwischen 300 und 2.000 Euro. Der gesamte Erlös der Versteigerung wird für einen wohltätigen Zweck gespendet.